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Orchideenstaub

Orchideenstaub

Titel: Orchideenstaub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Pleva
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Heimes ernannt worden.
    El Hogar del Desválido , das Heim des Wertlosen, war 1970 von ihrem Vater gegründet worden und wurde größtenteils mit Spenden finanziert.
    „Wo sind die Akten von den Kranken und Verstorbenen?“
    „Im Keller. Aber den Schlüssel zum Aktenschrank hat Rosa.“
    Das war natürlich dumm. Ausgerechnet die alte Schreckschraube, dachte Lea. Doch Probleme hatte es noch nie für sie gegeben. Nur Schwierigkeiten bei ihrer Lösung, aber auch die waren zu wuppen.
    Sie ließ Nathalia allein in der Wäschekammer zurück und beendete ihren Besuch für heute früher als sonst. Sie musste sich noch einmal den Schlüsselbund mit den Zweitschlüsseln vornehmen.
     
     

31.
     
     
     
    MÜNCHEN   „Goethe sagte schon sehr richtig: Im Grunde ist der Mensch zu allem fähig .“
    Schlaue Sprüche waren das Letzte, was er jetzt brauchen konnte. „Ist das alles was Sie mir sagen können, Dr. Jäger?“, fragte Sam aufgebracht. Am liebsten hätte er diesen Therapeuten mit seinem mitleidsvollen Lächeln am Kragen gepackt und wachgerüttelt.
    Alle warteten gespannt darauf, dass der Mörder wieder zuschlug und ein weiteres grauenvoll hingerichtetes Opfer zu bedauern war.
    „Wieder wird ein unschuldiger Mensch sterben, weil da ein lebender emotionaler Sprengsatz durch die Gegend läuft. Das ist doch pervers!“ Sam war wütend. Wütend auf sich, dass ihm noch keine zündende Idee eingefallen war, wütend darauf, dass er den nächsten Schritt dieses Mistkerls nicht im geringsten vorhersehen konnte, wütend auf die Gesellschaft, die solche schizoiden Missgeburten hervorbrachte und wütend auf seinen Therapeuten, der ihn gerade blöde ansah und irgendwelche Notizen über ihn in sein Heftchen schrieb, um sie später psychologisch auszuwerten.
    „Ich weiß, wie Sie sich gerade fühlen. Es ist wie eine Art Ohnmacht, Sie haben das Gefühl, lebendig begraben zu sein, aber das geht vorbei.“
    Phrasen über Phrasen, die er nicht hören wollte.
    „Vergessen Sie nicht, Sam, Sie waren in den letzten Monaten psychisch relativ instabil. Nach dem Tod Ihrer Freundin haben Sie sich das erste Mal in Ihrem Leben gehen lassen. Haben zugemacht, Ihnen war plötzlich alles egal. Sie haben nicht mehr den Starken gespielt und das war eine Art innere Heilung für Sie, glauben Sie mir. Ein Mensch wird krank, wenn er seine Gefühle nicht zulassen kann und sie ständig unterdrückt.“
    Es war Sams vierte Sitzung und es war das dritte Mal, dass Dr. Jäger ihm das im selben Wortlaut erzählte. „Bullshit, meinen Sie im Ernst, das interessiert auch nur einen Menschen da draußen, wie es hier drinnen aussieht?“ Sam tippte energisch auf sein Herz. „Wichtig ist, dass man funktioniert.“
    In der Nacht hatte er die meiste Zeit wach gelegen, obwohl er todmüde gewesen war, und sich gefragt, was das alles für einen Sinn machte. Wollte er wirklich sein Leben weiterhin damit verbringen, irgendwelche kranken Seelen zu jagen, die jeden Tag aufs Neue wie Unkraut wucherten. Bei achtzig Prozent der Serientäter konnte man bereits Konflikte in der Kindheit mit einem der Elternteile feststellen. Achtzig Prozent! Wie viele asoziale Familien gab es auf diesem Erdball, die der Nährboden für potenzielle Mörder waren? Menschen, die in ihrer Kindheit verprügelt, gequält, missbraucht, gedemütigt, verachtet und tief enttäuscht wurden, die ihre seelischen Verletzungen in extreme Gemütsarmut und Teilnahmslosigkeit gegenüber ihrer Umgebung verwandelten. Und irgendwann wurden sie auf die Menschheit losgelassen und der aufgestaute Hass entlud sich wie bei einem Überdruckventil. Sie töten wie im Rausch.
    Nur der Mörder, mit dem er es zutun hatte, tötete nicht im Rausch. Er war kontrolliert und organisiert. Keine Anzeichen von Impulsivität oder Töten im Affekt. Er war  weder ein religiöser Fanatiker und nicht sexuell orientiert, noch ein Raubmörder, obwohl er eine Uhr und ein paar Diamantohrringe gestohlen hatte. Hatte er die Schmuckstücke mitgenommen, um sie jemandem zu schenken, oder vielleicht, um sie zu verkaufen? Jasmin Rewe hatte auch Schmuck getragen, doch an ihr hatte nichts gefehlt, wie sich im Nachhinein herausgestellt hatte, oder war es nur nicht sein Stil gewesen? Auf jeden Fall handelte es sich nicht um Erinnerungsstücke an seine Opfer. Es schien, dass dieser Mann seinen eigenen Krieg führte und Krieg war pure Gewalt. Gewalt wurde eingesetzt, um ein bestimmtes Ziel zu verfolgen.
    „Sam? Es ist gut, wenn Sie Ihrem Ärger Luft

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