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Orchideenstaub

Orchideenstaub

Titel: Orchideenstaub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Pleva
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entstand, in der sich alle gegenseitig ansahen. Jeder hoffte, dass irgendjemand eine plausible Lösung vortrug.
    „Denken Sie laut, O’Connor“, hörten sie Brenner sagen.
    „Hier steht nichts von einer Injektion ins Herz, wie bei den anderen beiden Opfern. Das irritiert mich ein wenig.“
    „Vielleicht hat er es in seinem Blutrausch vergessen“, kommentierte Wirsch und suchte bei Maik und Fräulein Beauchamp eine Bestätigung.
    „Wir haben die kolumbianischen Behörden bereits über ihren Landsmann verständigt. Mal sehen was die für Informationen über ihn ausspucken“, sagte sie und nickte Sam aufmunternd zu.
    Alle erhoben sich, als Juri Sam ein Foto reichte, auf dem man den rechten Arm der Toten sehen konnte. Er deutete stumm auf ein kleines Detail.
    Sam kniff die Augen leicht zusammen, um besser sehen zu können und dann sah er, was Juri gemeint hatte. Er nickte bestätigend, schob die Fotos zusammen und steckte sie in die Akte.
    „Von wegen siebzig und dick“, sagte Juri leise und zwinkerte Sam zu. Dann folgte er den anderen nach draußen.
    „Sam, ich würde gerne noch einmal mit Ihnen sprechen.“ Estelle Beauchamp erhob sich und ging auf Sam zu. Sie blieb dichter als notwendig vor ihm stehen. „Ich fahre morgen erst wieder nach Den Haag zurück … Vielleicht könnten wir heute Abend gemeinsam essen gehen?“
    Sam lächelte und nickte, als das Handy auf dem Tisch wieder zu sprechen begann. „Fräulein Beauchamp!! Ich möchte nicht Zeuge einer unsittlichen Begegnung werden. Schalten Sie sofort das Ding aus.“
     
     

38.
     
     
     
    KOLUMBIEN  Lea huschte über den hell erleuchteten Gang im Untergeschoss des Heimes. Es roch nach abgestandener Luft und vor allem nach Formaldehyd. Aus dem Autopsieraum drang leise Salsamusik an ihr Ohr.
    Hier unten wurden die Verstorbenen obduziert und für die Beerdigung, sofern es eine gab, vorbereitet. Ein zusätzlicher Service des Heimes, den schon ihr Vater eingeführt und ihr selbst auch die Möglichkeit gegeben hatte, die eine oder andere Krankheit etwas genauer zu untersuchen.
    Lea sah durch die kleine kreisrunde Scheibe oberhalb der Schwingtür.
    Oscar, der Leichenpräparator war gerade dabei, einen verstorbenen Aidspatienten zu obduzieren. Plötzlich hielt er inne und sah direkt in ihre Richtung. Er musste bemerkt haben, dass das Licht im Gang angegangen war. Das Licht war an Bewegungsmelder gekoppelt und ging jedes Mal automatisch an, wenn jemand den Gang betrat.
    Lea duckte sich schnell, lief zur nächsten Tür und versteckte sich im Türrahmen. Sie hörte, wie die Schwingtür aufging und Oscar ein „Hallo“ in den Gang rief. Sie wartete einige Minuten, bevor sie wieder aus ihrem Versteck heraustrat. Alles war jetzt ruhig.
    Nathalia hatte versprochen dafür zu sorgen, dass sie im Aktenraum ungestört bleiben würde. Sie wollte die Nachtschwester und einen Pfleger in Schach halten bis Lea ihr eine SMS sandte.
    Endlich stand sie in dem fensterlosen Kellerraum. Hier drin war es stickig und roch nach altem Papier. Bis zur Decke lagen Akten von Patienten gestapelt, die seit der Gründung des Heimes, hier ein- und ausgegangen waren. Bisher hatte niemand die Zeit gefunden, sie zu katalogisieren, geschweige denn die Daten in den Computer einzugeben.
      Mit der Taschenlampe leuchtete Lea jeden Winkel des Raumes ab. In einer Ecke standen drei neuere verschlossene Aktenschränke. Sie holte die kleinen Schlüssel aus ihrer Hosentasche und öffnete einen nach dem anderen. Zwölf Namen standen auf ihrer Liste. Sie begann mit dem Jungen Alfonso Villegas, den sie auch persönlich gekannt hatte.
    Alfonso Villegas war ganz plötzlich an Nierenversagen gestorben. Zwei Monate nachdem seine Familie nicht mehr für die Medikamente und Behandlungen aufgekommen war und ihn auch nicht mehr im Heim besucht hatte. Der kleine Körper war verbrannt worden. Autopsie: R. Rodriguez, darunter stand seine Unterschrift.
    Lea suchte weiter. Die Blumenfrau: Verstorben an Herzversagen. Keine Verwandten. Ebenfalls verbrannt. Autopsie: R. Rodriguez.
    Und so ging es weiter. Bis auf zwei Fälle waren alle letztes Jahr Verstorbenen von ihrem Bruder eigenhändig obduziert und anschließend verbrannt worden. Davon sechs, die physisch kerngesund und nur geistig nicht auf der Höhe gewesen waren.
    Lea rieb sich über das Gesicht. Warum sollte ihr Bruder diese Patienten getötet haben? Das Heim lebte seit seiner Gründung von großzügigen Spenden. Die Vision ihres Vaters war es gewesen, auch

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