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Orchideenstaub

Orchideenstaub

Titel: Orchideenstaub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Pleva
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Priester, ein Freund der Familie zurate gezogen, und tagelang darüber debattiert, ob eine Scheidung wirklich notwendig war . Schließlich stimmte man ihr wegen Untragbarkeit zu, allerdings nur der standesamtlichen. Die Ehe vor Gott blieb bestehen.
    Ihre Mutter hatte den Mann für Victoria vor zehn Jahren ausgesucht und mit viel Geld sozusagen , eingekauft ’. Ein Mann aus dezentem guten Hause, aber arm. Heute war er ein angesehener Geschäftsmann und hatte im Zentrum von Medellin einige gut gehende Geschäfte. Er war der Familie Rodriguez zwar dankbar, aber wohl nicht so dankbar, um die ekelhaften Tyranneien und Launenhaftigkeiten von Victoria weiterhin zu ertragen. Ihm war der Kragen geplatzt und er hatte die Einundvierzigjährige einen widerlichen alten Krüppel genannt. Lea konnte es ihm nicht verdenken.
    Sie selbst gehörte mit fünfunddreißig in diesem Land auch zum alten Eisen, trotzdem dachte sie nicht daran, zu heiraten. Es hatten zwar viele Männer an ihre Tür geklopft und ihr den Hof gemacht, aber der Richtige war noch nicht darunter gewesen. Und solange ihre Eltern lebten, würde sie den Bund der Ehe auch nicht eingehen, weil sie an ein dauerhaftes Glück und Treue in einer Ehe nicht glaubte. Wozu sich also unnötig Probleme aufhalsen.
    Maria, ihre andere Schwester mit dem Namen der heiligen Mutter gesegnet, hatte äußerlich nichts mit ihr und Rafael gemeinsam. Sie hatte eine Knollennase, kleine schmale Augen und dünne braune Haare. Zudem war sie mental zurückgeblieben. Für einen außenstehenden Betrachter sah sie auf den ersten Blick normal aus, aber wenn sie anfing zu sprechen, sich in Sätzen verfing und stotterte, merkte man bald, dass da etwas nicht stimmte. Nach der Grundschule hatten ihre Eltern sie von der Schule genommen und sie zu Hause unterrichten lassen. Aber auch nur, weil es besser aussah und ihre Mutter darauf bestanden hatte. Maria konnte sich nichts merken, vergaß alles wieder nach ein paar Minuten. Somit war der Unterricht auch für die Katz. Sie begleitete ihre Mutter auf Reisen und würde wohl den Großteil der Besitztümer, die von der Familie mütterlicherseits stammten, einmal erben. Die Begründung dafür lautete, dass sie nie einen Mann abkriegen würde, der für sie sorgen könnte. Da half auch kein Geld der Welt, um die schwachsinnige Tochter zu verheiraten.
    Ihr Vater hatte zu keinem seiner Kinder einen wirklichen Bezug. Mit den beiden Behinderten redete er nur das Nötigste und seinen drogenabhängigen Sohn Felipe verachtete er und behandelte ihn wie Luft, wenn er wie heute mit am Tisch saß. Lediglich Rafael akzeptierte er voll und ganz. Gelegentlich fragte er Lea, wie die Praxis lief. Das Gespräch spielte sich jedoch immer gleich ab. Sie sagte: „Gut.“ Und er erwiderte: „Das habe ich auch nicht anders erwartet.“
    Alle stürzten sich auf den Nachtisch. Das war die Gelegenheit, nach dem Schlüssel für den Aktenraum zu suchen. Sie entschuldigte sich und gab vor, auf die Toilette zu gehen, stattdessen lief sie direkt in den hinteren Trakt des Hauses.
    Das Zimmer ihres Vaters war das letzte von insgesamt sechs Schlafzimmern. Sie ging hinein, öffnete die Schublade und sah sich den Bund an. Alle Schlüssel waren mit Kürzeln beschriftet. SA, Sala de Actas ? Das könnte der richtige sein, dachte sie, machte den Schlüssel ab und steckte ihn ein. Sie hatte gerade die Schublade zugeschoben als Maria plötzlich in der Tür stand und sie mit großen Augen ansah.
    „W-w-w-a-a-as m-a-ma-ma-chst du da?“, stotterte sie. „Ma-ma … mama!“, rief sie. „Lea …“
    „Halt den Mund“, fauchte Lea sie an.
    „A-a-ber das ist nicht d-dein Zi-Zi-Zimmer.“
    Lea wusste nicht, was sie sagen sollte. Sie stand vor ihrer bekloppten Schwester wie ein Ölgötze und überlegte fieberhaft, wie sie es erklären sollte, dass sie in Vaters Zimmer war, obwohl jeder im Haus wusste, dass der Zutritt strengstens untersagt war.
    „I-ich mu-muss das Ma-Mama sagen.“
    Lea packte ihre Schwester am Arm und sagte. „Ein Wort, und ich bring dich ins Heim, verstanden?! Und da kannst du dann verrotten.“
    Maria hasste das Heim. Allein das Wort machte ihr Angst. Warum wusste keiner, aber es war auf jeden Fall ein gutes Druckmittel.
    Maria fing an zu heulen. Dämliche Kuh, dachte Lea. Sie würde noch die Aufmerksamkeit der ganzen Familie auf sich ziehen. „O.k., pass auf, ich habe im Auto Schokolade für dich. Importierte Schokolade.“
    Das Gesicht ihrer Schwester hellte sich auf und die

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