Orchideenstaub
den armen Behinderten die Möglichkeit einer medizinischen Hilfe zu bieten. Er war in den siebziger Jahren in medizinischen Kreisen hoch angesehen gewesen für seine mildtätige Institution.
Irgendetwas musste sie übersehen haben. Aber die Berichte gaben nichts weiter her. Sie würde ihren Bruder zur Rede stellen, sobald er wieder zurück war. Noch einmal sah sie sich im Raum um. Sie konnte nichts weiter Ungewöhnliches entdecken. Schließlich hinterließ sie alles, wie sie es vorgefunden hatte und trat auf den Gang hinaus. Wieder ging das Licht automatisch an.
Lea hatte gerade die Hälfte zwischen Aktenraum und Fahrstuhl erreicht, als sie sah, dass die Anzeige des Fahrstuhls leuchtete. Jemand fuhr nach unten. Ihr Herzschlag setzte für einen Moment aus. Wo sollte sie hin? Es war zu spät, um zurückzulaufen und sie war zu weit weg von der letzten Türnische. Es blieb nur der Obduktionsraum.
Oscar war gerade dabei ein paar Innereien zu wiegen. Er stand mit dem Rücken zu ihr.
Lea schlüpfte hinein und versteckte sich unter einer Bahre. In dem Moment ging die Tür auf und die Nachtschwester sagte: „Kaffeepause, Oscar.“ Darauf folgte ein Giggeln, ein Schmatzen, irgendetwas zerriss und dann wurde Lea unfreiwillig Zeugin obszöner Worte und dem Geräusch dumpfen Aufeinanderprallens menschlicher Leiber.
39.
BERLIN Sam und Juri waren auf dem Weg zum LKA Schöneberg, wo Rafael Rodriguez weiter vernommen werden sollte. Sam hatte die Augen geschlossen und dachte an die letzte Nacht, in der er nach allen Raffinessen verführt worden war. Estelle hatte einen schönen Körper, sie war weich und fest zugleich gewesen und biegsam wie eine Zirkusakrobatin. Sie hatte aus Sam alles rausgeholt. Bei dem Gedanken musste er wieder lächeln.
Juri arbeitete sich durch den zähflüssigen Frühverkehr. Ihm war Sams auffällige Entspanntheit nicht entgangen. Er wollte gerade anfangen zu sticheln, als ein Anruf die Stille im Wagen störte.
Sam sah auf das Display – unbekannt. Er lehnte sich wieder zurück. Dann nahm er plötzlich doch das Gespräch an.
Frau Rewe stand in Frankreich bei strömendem Regen in einer Telefonzelle und verstand kaum ihr eigenes Wort, geschweige denn das, was Sam ihr sagte.
„Ich habe mich wieder erinnert“, schrie sie laut in den Hörer. „Sie hatten mir doch dieses … gezeigt.“
Sam sah fragend zu Juri, der auch nur mit den Schultern zuckte.
„Was?“
„Na, das Buch mit dem Engel und dem …“
Für Sam hörte es sich so an, als würde Frau Rewe inmitten eines Kugelhagels stehen.
„Ich kann Sie kaum verstehen“, schrie sie wieder in den Hörer.
Sam hielt das Telefon etwas vom Ohr weg und sagte langsam und deutlich: „Ich habe auch nichts gesagt, Frau Rewe.“
„Was?“
Sam hörte sie fluchen, dann war das Gespräch unterbrochen.
Sie parkten den Wagen gerade vor dem LKA als Sams Handy erneut klingelte. Dieses Mal war die Verbindung ausgezeichnet, weil Frau Rewe von dem kleinen Restaurant ihres Freundes aus telefonierte.
„Mich hat dieses Bild nicht in Ruhe gelassen und mir ist da ein Seminar eingefallen, das ich damals besucht habe. Es ging dabei um esoterische Geheimbünde“, begann sie und klang dabei sehr aufgeregt. „Es gab da einen Orden, gegründet von einem Österreicher, so etwa um 1900, dem nur Personen beitreten durften, die blond, blauäugig und eine ario-heroische Figur aufwiesen. Für diesen Orden war die arische Rasse das gute Prinzip, Neger und mediterrane Völker, also die dunklen Rassen gehörten zum bösen Prinzip. Es gab für sie nur Gut und Böse, nichts zwischendrin. Sie waren der Meinung, dass zum Beispiel das Böse auf die Erde kam, weil die Lemurier sich mit einer schönen aber minderwertigen Rasse vermischt und deshalb die göttliche Gnade verloren hatten. Und diese Gnade wollten sie zurückhaben. Sie glaubten daran, dass durch eine Rassentrennung die verkümmerten Fähigkeiten der Gottmenschen wieder hergestellt werden können. Das bedeutete, dass man mit Unterprivilegierten hart umzugehen hatte. Sie sollten versklavt, verbrannt oder für ihre Zwecke benutzt werden … na ja, auf jeden Fall wollte dieser Orden durch eine arische Elite das Universum retten, und dafür gingen sie über Leichen und Länder. Die Anhänger des Ordens sollten nämlich überall auf der Welt solche ario-christlichen Zentren gründen und das Wappen sollte ihr Zeichen sein. Das Wappen mit dem Engel und dem Faun, dem Guten und dem Bösen. So, Ende
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