Orden der Verderbnis - Thriller (German Edition)
erregendes, prickelndes Gefühl auf ihrer Haut.
Ob er das gleiche empfindet? , fragte sie sich.
„Eine schlechte Angewohnheit, meinen Sie nicht auch?“,
stellte Seybold fest und zündete seine Zigarette an.
Verena, ganz in Gedanken versunken, fragte: „Wie? Was meinen
Sie …?“
Sie bemerkte gar nicht, dass sie immer noch sein Handgelenk
festhielt. Seybold zog seine Hand behutsam zurück und wiederholte: „Das Rauchen
- eine schlechte Angewohnheit! Ich habe leider wieder damit angefangen, als
meine Frau vor einem Jahr auszog.“
Das war neu für Verena. Lebte er jetzt alleine? Plötzlich
drifteten ihre Gedanken in eine Richtung, die an diesem Abend eigentlich gar
kein Thema sein sollte. Sie musste sich konzentrieren und wieder fangen. Am
besten war es, wenn sie die Bemerkung Seybolds einfach ignorierte.
„Ja, sie haben Recht. Das ist es wirklich. Ich habe aus
demselben Grund wieder angefangen.“
Jetzt war es raus! Warum sollte sie aus ihrem Herzen eine
Mördergrube machen? War es nicht besser, wenn jeder vom anderen wusste, in
welcher Situation er lebte?
Seybold schaute Verena so an, als wolle er ihre Gedanken
lesen und erforschen. Doch instinktiv ahnte er, dass es geschickter und klüger
war, die letzte Bemerkung zu übergehen. Er spürte, dass Verena mit ihm über
ihre beruflichen Sorgen reden wollte. Geschickt lenkte er das Thema wieder in
diese Richtung.
„Sie nannten vorhin zwei Namen, die bei mir alte Erinnerungen
wach werden lassen.“
„Sie meinen Bent und Hartwig ?“
„Ja, genau. Dazu müssen Sie wissen, dass ich beide kenne.“
„Dass Sie Bent kennen, wundert mich ehrlich gesagt nicht.
Aber Hartwig? Woher kennen Sie den?“
Seybold machte einen tiefen Zug an seiner Zigarette und
lehnte sich zurück.
„Also gut. Über das, was ich Ihnen jetzt erzähle, habe ich
bisher noch mit keinem Menschen gesprochen.“
Er machte eine lange Pause.
„Allerdings bin ich davon überzeugt, dass jetzt der richtige
Zeitpunkt da ist. Ich glaube nämlich nicht an Zufälle dieser Art. Sie müssen
wissen, dass ich mich direkt nach der Übernahme des Dezernats 1 auf den Bereich Sexualdelikte konzentrierte. Das lag daran, dass mich dieses Thema schon
immer sehr interessiert hat.“
„Wieso ausgerechnet Sexualdelikte?“
„Ach wissen Sie, wenn man in einer Beziehung lebt und Kinder
hat, wird einem bewusst, dass das das Wertvollste ist, was man hat. Und wenn
man sich dann vorstellt, dass so ein Gefüge von einem Augenblick auf den
anderen aus den Fugen geraten kann, will man es beschützen oder zumindest dazu
beitragen, dass es sicherer wird. Da draußen gibt es zu viele Gestörte,
Päderasten und Pädophile, vor denen wir unsere Kinder schützen sollten. Darin
ist wohl meine Motivation begründet.“
„Das verstehe ich nur zu gut.“, antwortete Verena.
„Ich weiß nicht, ob Sie sich daran erinnern oder zumindest
schon mal davon gehört haben? Mitte der 80er Jahre wurde bekannt, dass im
Kloster Auethal über Jahre hinweg Kinder und Jugendliche systematisch geprügelt
und vergewaltigt wurden. In den Medien wurde damals intensiv darüber berichtet.
Im Laufe der Zeit kamen immer neue Details ans Licht und schließlich wurde
bekannt, dass mehr als 100 Prügel- und Vergewaltigungsopfer zu beklagen waren.
Die Klosterleitung und die katholische Kirche setzten alles daran, diese
Vorkommnisse als einzelne Vorfälle herunterzuspielen. Von einem Missbrauchsskandal könne keine Rede sein. Am Ende kam nichts dabei heraus. Einige der damals
beteiligten Patres wurden versetzt. Die Klosterleitung und die Kirche verbaten
sich Einmischungen beziehungsweise staatsanwaltliche Ermittlungen und
polizeiliche Untersuchungen. Man erreichte, dass alle eingeleiteten
Untersuchungen eingestellt wurden und ein Verfahren erst gar nicht eingeleitet
wurde. Es kehrte Ruhe ein.“
„Eigentlich unfassbar. Was ist aus den Opfern geworden?“
„Die wurden entweder mundtot gemacht oder mit läppischen Abfindungen
abgespeist.“
Verena schüttelte fassungslos den Kopf.
„Warum erzähle ich Ihnen das?“ Seybold machte erneut einen
tiefen Zug und drückte dann die Zigarette im Aschenbecher aus.
„Als ich meinen Job antrat, bekam ich einen Fall auf den
Tisch, dem ich vom ersten Augenblick an meine ganze Aufmerksamkeit widmete.
Dabei ging es um - und jetzt raten Sie mal?!“
„Das Kloster Auethal?“
„Richtig! Anfangs ging es um ein Mitglied des Klosters, das
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