Orden der Verderbnis - Thriller (German Edition)
ich mich immer
konzentriert. Und das sollten Sie auch tun.“, antwortete Seybold.
„Das würde ich auch sehr gerne, doch man lässt mich nicht,
wie Sie wissen.“
„Ich weiß …“ Seybold nahm einen Schluck Chianti,
dessen dunkelrote Farbe er beim Abstellen des Weinglases einige Sekunden
bewunderte und auf sich wirken ließ.
Er machte Verena im weiteren
Gesprächsverlauf klar, dass es fast unmöglich sei, anhand der umfangreichen
Informationen, die heute vor allem im Internet über den Jesuitenorden
verbreitet wurden, zu bewerten, welche davon seriös und glaubhaft oder einfach falsch
waren. Seit seiner Gründung war der Orden im Laufe der Jahrhunderte immer
wieder das Ziel von Angriffen und Verfolgungen, bis hin zu Verboten durch den
Papst oder unterschiedlicher Staatsregierungen, geworden. Doch die Missbrauchsskandale
waren hausgemacht. Und das Verwerfliche dabei waren nicht nur die Taten an
sich, sondern die Art und Weise, wie der Orden versuchte, die sexuellen
Übergriffe zu vertuschen. Ein großes Problem stellten dabei die Reichweite und
die Dimensionen dar. Man betonte zwar immer wieder, dass es sich um vereinzelte
Vorfälle handelte, doch angesichts der enormen Anzahl von Missbrauchsopfern
und Tätern, konnte diese Argumentationsweise nicht aufrecht gehalten werden.
Weltweit klagten immer mehr Opfer den Orden an, sodass er in einigen Ländern - vor
allem in den USA - dazu gezwungen wurde, immense Abfindungen an die Opfer zu
zahlen.
Seybold war während seiner kurzen Zeit als
Sonderermittler einem Kreis von pädophilen Porno- und Menschenhändlern so nah
gekommen, dass es für die Mitglieder des Netzwerks sehr gefährlich wurde. Am
Ende seiner Ausführungen über den Orden kam er auf die Beteiligten zurück. Das
waren die Patres des Ordens, deren Obere und einige höher gestellte
Persönlichkeiten aus Wirtschaft und Politik. Dieser Kreis sorgte für seine
Suspendierung und die Einstellung der Ermittlungen.
„Den Rest der Geschichte kennen Sie.“
Seybold schaute Verena fragend an.
„Ja. Und jetzt sitzen wir hier bei einem
Glas Wein …“
„Der übrigens verdammt gut schmeckt.“, vollendete
Seybold den Satz. „Darf ich Ihnen einen Vorschlag machen?“
„Ja?“, fragte Verena neugierig.
„Eigentlich passt der Vorschlag nicht zu
unserem Thema. Ich laufe jetzt Gefahr, dass Sie mich für taktlos halten …“
„Ich werde immer neugieriger.“
„Nun, wir kennen uns jetzt schon ein paar
Tage. Auch wenn wir uns in letzter Zeit nicht mehr so häufig gesehen haben,
kommt es mir so vor, als hätten wir uns gerade erst gestern gesehen. Ich weiß
nicht, wie es Ihnen geht? Heute Abend schwingt so ein Gefühl der Vertrautheit
mit. Kurzum: ich finde, wir sollten zum DU übergehen. Was halten Sie davon?“
Damit hatte Verena nicht gerechnet. Er hatte
es tatsächlich geschafft, sie zu überraschen. Sie spürte, wie ihr eine leichte
Röte ins Gesicht stieg. Bevor sie antworten konnte, sagte Seybold: „Ich heiße
übrigens Benedict. Gute Freunde nennen mich einfach Ben.“
26
+++ Sonntag, 23. September - 21.35 Uhr · Wohnung
von Verena Sonnenberg, M ü nchen
+++
Mitunter verläuft das Leben anders ab, als es der Regisseur
geplant hat , dachte
Verena, als sie Ben Seybold in die Augen schaute. Weder Zeitpunkt und Ort noch
das Thema boten den geeigneten Rahmen, um sich das DU anzubieten. Und
doch hatte er den Schritt gewagt. Wie sehr sie sich das insgeheim gewünscht
hatte, wurde ihr erst klar, als sie lächelnd sagte:
„Ich heiße Verena.“
„Lass uns darauf anstoßen.“, antwortete er.
Die Gläser erzeugten einen wohltuenden Klang, als sie sanft
gegeneinander schlugen.
„Gut, dann ist das auch geklärt.“, sagte Ben Seybold. Sein
Lächeln wirkte auf Verena unwiderstehlich, doch ihr Instinkt sagte ihr erneut,
dass es falsch war, in diesem Augenblick noch weiter zu gehen. Vielleicht
deutete sie ja auch die Zeichen und die Gesten nicht richtig.
„Wo waren wir denn stehengeblieben?“, fuhr er fort.
„Ich glaube, bei Ihrer - äh - ich meine: bei deiner Suspendierung.“
„Ach ja, aber lass uns lieber noch mal auf deine Geschichte
und die aktuelle Entwicklung zurückkommen. Wie war das mit Hartwig und Bent?
Wann hast du ihn - oder besser gesagt - sein Auto vor Bents Wohnung gesehen?“
„Am Mittwoch- und Freitagabend.“
„Und da bist du ganz sicher? Irrtum ausgeschlossen?“
„Weißt du, auf jeden anderen, der mir diese Frage gestellt
hätte, wäre ich jetzt sauer gewesen!“,
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