Orden der Verderbnis - Thriller (German Edition)
Karriereleiter
hinter sich gelassen hatte. Er war ein brillanter und engagierter Polizist, mit
der Aussicht auf eine große Karriere. Mit seiner souveränen Art hatte er sie
vom ersten Augenblick an einen tief beeindruckt. Bereits damals musste sie sich
eingestehen, dass sie dabei war, sich in ihn zu verlieben. Doch sie schlug sich
diesen Gedanken schnell aus dem Kopf. Zum einen war Seybold deutlich älter als sie,
verheiratet und hatte zwei Kinder. Außerdem waren Kollegen und Vorgesetzte
generell Tabu. Wurde eine solche Beziehung bekannt, konnte das sehr schnell das
Aus für die Karriere bedeuten.
Für einige Monate erlebte sie ihn als stellvertretenden
Leiter des Kriminalfachdezernats 5. Hier verantwortete er den Bereich Einbruchskriminalität.
Doch dann erhielt er seine Chance. Man bot ihm den Posten als Leiter des
Fachdezernats 1 an. Damit verbunden war die Beförderung zum Hauptkommissar.
Allerdings fiel in den Bereich des Dezernats 1 die Aufklärung von Tötungs-,
Brand- und Sexualdelikten, also eigentlich Bereiche, die nicht unbedingt zu
seinem angestammten Erfahrungsbereich gehörten. Bedingt durch den Dezernatswechsel
hatte sie Seybold aus den Augen verloren und eines Tages hörte sie davon, dass
man ihn suspendiert hatte. Erst später war sie ihm noch einmal begegnet. Das
war damals mehr oder weniger purer Zufall. Sie trafen sich in einer
Buchhandlung und stellten fest, dass sie dieselben Autoren bevorzugten. Daraus
ergab sich eine lockere Verbindung. Man traf sich gelegentlich, trank einen
Kaffee zusammen, tauschte sich über Literatur und Alltägliches aus und verstand
sich dabei bestens. Sicher, gelegentlich bat sie ihn auch in beruflichen Dingen
um seinen Rat, doch das war eher die Ausnahme. Ungefähr ein Jahr nach seiner
Suspendierung - über die er übrigens nie sprach - hatte sich Seybold als
Privatdetektiv selbständig gemacht.
Vor einigen Jahren lernte sie dann Rainer kennen. Es schien
ganz so, als sei er die Liebe ihres Lebens. Heute wusste sie, dass das einer
der größten Irrtümer und Enttäuschungen ihres Lebens war. Auf jeden Fall
brachte Rainer neben einigen Möbelstücken und persönlichen Dingen auch einen
neuen Freundeskreis in die Beziehung ein. Da blieb neben dem Job kaum noch Zeit
für die Treffen mit Seybold. Und irgendwann brach der Kontakt zu ihm dann ganz
ab.
Doch nun war sie nur einen winzigen Schritt davon entfernt,
Seybold anzurufen. Dazu brauchte sie lediglich die Taste Wählen auf
ihrem Smartphone zu drücken. Wie würde er reagieren? War es nicht total
egoistisch von ihr, ihn jetzt mit ihren Problemen zu belasten? Auf der anderen
Seite sind Bekannte oder Freunde doch gerade dann wichtig, wenn es einem nicht
so gut geht. Verena gab sich einen Ruck und tippte auf das Wahlfeld. Nach
einigen Sekunden des Wartens meldete sich der Anrufbeantworter:
„Dies ist der Anschluss von Benedict Seybold. Leider bin ich
im Augenblick persönlich nicht zu erreichen. Hinterlassen Sie bitte nach dem
Signalton ihren Namen und Ihre Rufnummer. Ich rufe so schnell wie möglich
zurück.“
„Ja, hier ist Verena Sonnenberg. Wahrscheinlich sind Sie
überrascht, nach der langen Zeit von mir zu hören. Ich würde mich sehr freuen,
wenn Sie mich anrufen könnten. Meine Telefonnummern haben Sie bestimmt noch?
Ich bin unter meiner Privat- und Mobilnummer erreichbar. Bis dahin …“
Verena atmete tief ein, legte ihr Handy auf den Tisch und schlürfte
einen Schluck des süffigen Chiantis.
Würde Seybold anrufen? Bevor sie eine Antwort auf die Frage
fand, klingelte das vor ihr liegende Telefon. Der aktivierte Vibrationsalarm
sorgte dafür, dass das Gerät mit brummenden Geräuschen auf dem Tisch tanzte. Im
nächsten Augenblick hielt sie das Handy in der Hand.
„Verena Sonnenberg.“ Erwartungsvoll presste das Handy gegen
ihr Ohr.
„Seybold. Guten Abend Frau Sonnenberg. - Ich habe mich sehr
gefreut, von Ihnen zu hören.“
Verena erkannte sofort die warme Stimme Benedict Seybolds.
Überrascht, dass dieser umgehend auf ihre Nachricht reagiert hatte, fehlten ihr
jetzt die Worte.
„Wie geht es Ihnen denn?“, wollte Seybold wissen.
„Ach, wissen Sie, es ging mir schon mal besser.“
„Warum? Was ist denn passiert?“ Seybold erkannte an Verenas
Stimmlage, dass irgendetwas nicht stimmte.
„Herr Seybold, ich habe eine große Bitte an Sie. Können wir
uns treffen? Ich möchte nicht am Telefon darüber sprechen.“, fragte Verena
beherzt.
„Ja, sicher können wir uns treffen. Wie sieht es
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