Orden der Verderbnis - Thriller (German Edition)
schmerzverzerrtem
Gesicht auf den über ihm hängenden Glockenklöppel, der sich mit jeder
Schwingbewegung dem Schlagring der Glocke ein Stück näherte.
Wie bin ich
hierhergekommen? Die Frage schoss ihm immer wieder durch
den Kopf.
Dann spürte er die
Fesseln an seinen Hand- und Fußgelenken. Zu keiner Bewegung fähig, lag er direkt
unter einer riesigen Glocke, die mit jedem Augenblick in ihrer Pendelbewegung
an Schwung gewann. Oberhalb der Glockenhaube waren vier kleine bronzene Engelsfiguren
befestigt, die pausbackig auf ihn herunter grinsten.
Böttger hatte bemerkt,
dass er mittels eines Seils auf dem Bretterboden fixiert war. Er rang keuchend
nach Atem. Entsetzt musste er feststellen, dass er sich nicht einen Zentimeter
bewegen konnte.
„Sie haben sich
vermutlich ihren Abschied anders vorgestellt. Stimmt´s?“
Böttger vernahm die
Stimme klar und deutlich, konnte jedoch niemanden erkennen. Ihm kam es so vor,
als hätte er die Stimme vor langer Zeit schon einmal gehört. Auch das Aussehen
des Mannes kam ihm irgendwie bekannt vor. Doch vielleicht täuschte er sich. Noch
immer brummte sein Schädel wie nach einem Aufprall. Nur langsam wichen die
verschwommenen Bilder und ließen ihn die Konturen eines schwarz gekleideten
Mannes erkennen.
„Wer sind Sie und was
wollen Sie von mir?“, stammelte Böttger.
Er erhielt keine
Antwort auf seine Fragen. Er spürte nur diesen brennenden Schmerz in seinem
Nacken. Der Schweiß auf seiner Stirn bildete zunächst winzige Tropfen, die schnell
an Größe zunahmen und schließlich in kleinen Strömen über seine Wangen auf die
Bretter unter ihm tropften. Das Atmen fiel ihm schwer und vor seinem Mund
bildete sich weißer Schaum. Noch einmal versuchte er sich aufzubäumen und
wollte dem Fremden, den er jetzt nicht mehr sah, etwas zurufen, doch das Gift
in seinem Körper breitete sich immer schneller aus und hatte jetzt die
lebensnotwendigen Organe erreicht.
Vergil liebte
theatralische Szenen. Er hatte das Läutwerk eingeschaltet. Der Pfarrer sollte
noch einmal den Klang der so geliebten Glocke hören und einen standesgemäßen
Abgang haben, soweit das die Umstände in dieser Situation zuließen.
Das letzte, was Böttger
sah, war die Glocke über ihm, die ihn mit ihren stärker werdenden
Schwingbewegungen auf seinem Weg ins Totenreich begleitete. Mit dem ersten
Schlag des Glockenklöppels hauchte er sein Leben aus.
Etwas abseits, in einer
Nische des Glockenturms, stand Vergil Nagy und war zufrieden mit sich und
seinem Werk. Den Druckinjektor und die kleine Plastikbox mit den Ampullen hatte
er bereits wieder in seiner Tasche verstaut. Der Vater würde zufrieden
mit ihm sein.
Er war genauso
vorgegangen, wie es ihm der Vater aufgetragen hatte. Als Mitarbeiter der
Firma getarnt, die sich um die Läutetechnik und die automatische Steuerung der
beiden Turmglocken kümmerte, hatte er sich Zutritt zur Kirche verschafft. Der
Pfarrer hatte ihn hinauf in den Turm begleitet, da der Küster an diesem Tag
nicht im Haus war. Der Rest war einfach. Mit einem kräftigen Schlag auf den
Hinterkopf hatte er den Pfarrer überwältigt, mit dem mitgebrachten Seil
gefesselt und ihm dann die tödliche Injektion verpasst.
Vergil amüsierte die
Tatsache, dass der Pfarrer unter lautem Glockengeläut aus dem Leben schied,
obwohl das Läuten leicht die Aufmerksamkeit der Anwohner wecken konnte.
Zwischen 6.00 und 11.00 Uhr war kein Glockenläuten vorgesehen. Bevor er den
Turm verließ, schaltete er den Antriebsmotor aus, der über einen Zahnriemen das
Läutwerk antrieb. Als er die Kirche verließ, wurden die Glockenschläge bereits
schwächer und als er in seinen Wagen stieg, waren die Glocken gänzlich
verstummt. Er startete den Motor und fuhr in Richtung München davon.
9
+++ Mittwoch, 12. September - 10.07 Uhr · Rechtsmedizin München +++
Das Pathologische Institut für Rechtsmedizin München bestand
aus zwei Gebäuden, wobei Obduktionen im Untergeschoss des älteren Gebäudeteils
durchgeführt wurden. Verena kannte den Gebäudekomplex in der Nussbaumstraße gut
genug, um zu wissen, dass es immer ein Problem war, einen geeigneten Parkplatz auf
dem das Gebäude umgebenden Gelände zu finden.
„Keßler, am besten lassen Sie mich da vorne aussteigen. Ich
gehe dann schon mal vor, während Sie in Ruhe einen Parkplatz suchen können.“
Verena deutete auf den vor ihnen liegenden Haupteingang.
„Wie Sie meinen, Chefin.“ Er stoppte den Wagen in
unmittelbarer Nähe des Eingangs und wartete,
Weitere Kostenlose Bücher