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Ordnung ist nur das halbe Leben

Ordnung ist nur das halbe Leben

Titel: Ordnung ist nur das halbe Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Flint
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Hochzeitsgeschenk«, strahlte mein Vater. Er holte einen Pappkarton aus der großen Tasche. »Wenn du es siehst, weißt du, warum wir es dir jetzt geben.«
    »Aber es ist doch noch lange nicht so weit«, sagte ich kraftlos.
    »Und genau deswegen bekommst du es auch jetzt schon«, sagte meine Mutter. »Als Zeichen dafür, dass wir dich unterstützen und immer für dich da sind. Auch wenn es manchmal – nun ja, Differenzen zwischen uns gibt.«
    Das war so ziemlich das Netteste, was ich jemals von meinen Eltern gehört hatte. Deswegen würde ich das Ganze jetzt über mich ergehen lassen, ohne eine Szene zu machen. Gespannt beobachtete ich, wie meine Mutter den Karton öffnete.
    »Wir geben dir das als Zeichen dafür, dass wir einverstanden sind mit deiner Hochzeit und deinem Mann. Unseren Segen hast du.« Sie holte ein Hochzeitskleid heraus und hielt es in die Höhe. »Es ist von deiner Großmutter Ingeborg.«
    Es war aus champagnerfarbenem Satin mit einem zarten Spitzenüberzug im Blumenmuster, an der schmalen Taille ein dünner Satingürtel, wadenlang, dreiviertellange Ärmel. Es war wie für mich gemacht: ausgefallen, aber nicht überkandidelt, festlich, aber nicht protzig, und klassisch, aber nicht spießig. Genauso, wie ich es mir immer gewünscht habe.
    »Es müsste dir eigentlich passen!«, sagte Tante Marianne.
    »Aber ich habe doch schon …«, fing ich an.
    »Das andere Kleid können wir noch zurückgeben«, unterbrach Marianne. »Wenn dir dieses Kleid gefällt, gefällt es auch mir.«
    »Es gefällt mir fantastisch«, wisperte ich. Ich streichelte ehrfürchtig über den zarten Stoff. »Und ich werde es auf meiner Hochzeit tragen.« Und dann hörte ich mich sagen: »Aber nicht in diesem Jahr.«

31
    Hatte ich gerade wirklich gesagt, die Hochzeit würde nicht stattfinden? So, wie die drei mich angafften, ja.
    Meiner Tante stand das Entsetzen ins Gesicht geschrieben, bei meinen Eltern lauerte unbändige Freude hinter der überraschten Miene. Ich kam mir vor, als hätte Günther Jauch mir gerade die Millionenfrage gestellt. Nur dass es für mich keine richtige Antwort gab. Meine Tante wäre so enttäuscht nach allem, was sie für mich getan hatte. Meine Eltern dagegen wären so glücklich, dass sie mich bis ans Ende aller Tage mit Prahlereien über ihre überragende Menschenkenntnis nerven würden. Ich wollte das meiner Tante nicht antun, ich wollte aber auch auf keinen Fall meinen Eltern den Triumph gönnen.
    Aber was zum Teufel wollte ich eigentlich?
    »Wie bitte?«, fragte Marianne hölzern. »Was soll das heißen: nicht in diesem Jahr?«
    »Das heißt …« Ich räusperte mich und sagte mit fester Stimme: »Ich werde Jens nicht heiraten.«
    »Waaaas?« Tante Marianne schnappte hektisch nach Luft. »Die Hochzeit findet nicht statt?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    Meine Mutter fragte skeptisch: »Aber das machst du jetzt nicht wegen uns, oder? Weil wir gerade gesagt haben, dass wir einverstanden sind, und du nur das Gegenteil von dem machen willst?«
    »Nein, Mama, natürlich nicht«, sagte ich und verdrehte die Augen. »Ich mache das für mich. Jens ist einfach – nicht der Richtige für mich.«
    Und das war er auch nicht, ganz abgesehen von den ganzen Lügen in letzter Zeit. Er war ein Langweiler. Er mochte meinen Hund nicht. Er half nie im Haushalt mit. Er wollte, dass ich die Kinderbetreuung alleine übernahm. Und nie hatte es in meinem Bauch so gekribbelt wie mit Lennart, wenn er mich geküsst hatte.
    »Einen besseren Mann als Jens findest du nie wieder!«, rief Marianne schrill. »Nie wieder!«
    »Die Welt ist voll von tollen Männern«, behauptete meine Mutter. »Und alle sind sie besser als dieser Spießer.«
    »Ja, genau«, bekräftigte mein Vater. »Und das haben wir schon immer gewusst.«
    War ja klar, dass so was kommen musste.
    »Aber ich habe mir so eine Mühe gegeben mit der ganzen Organisation! So ein schönes Fest wäre das geworden. So ein schönes Fest!«, jammerte Marianne.
    »Ich danke dir auch tausendmal für alles, liebe Tante Marianne.« Ich umarmte sie. »Ich finde das ganz toll, was du alles gemacht hast. Ehrlich. Und es wäre ganz bestimmt ein schönes Fest geworden.«
    Obwohl ich es bis vor ein paar Minuten nicht für möglich gehalten hatte, fühlte ich mich auf einmal erleichtert. Es wäre nie wirklich meine Hochzeit gewesen, sondern immer Mariannes. Und wenn ich tatsächlich doch noch irgendwann mal heiraten würde, dann würde ich … Dann würde ich … Ehrlich gesagt, hatte ich

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