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Organic

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Titel: Organic Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Kava
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dass wir grimmig und dümmlich aussehen“, hatte Khaled erklärt. „Also sei freundlich und höflich. Grüß die Leute. Wünsch ihnen einen schönen Tag, und vergiss nicht zu lächeln, niemals. Dann kommen sie nie darauf, was du vorhast.“
    Abda war schon seit fast zehn Jahren in den USA. Nach dem 11. September hatte er an seinem Englisch gefeilt, bis sein arabischer Akzent verschwunden war. Er wollte nicht mit diesen Bastarden in Verbindung gebracht werden, die Flugzeuge voller unschuldiger Menschen in Hochhäuser rasen ließen. Es gab bedeutend bessere Wege, um ein Ziel zu erreichen, um ein wirkungsvolles Statement abzugeben. Und wenn dafür jemand mit seinem Leben bezahlen musste, sollte es ein Wirtschaftsführer oder Politiker sein, aber nicht die Bevölkerung. So sah Abda Hassar die Sache. Das hatte ihn zu seiner Mission gebracht.
    Wenn Fahrgäste wissen wollten, woher er kam – und das fragten sie immer, trotz seines makellosen Englisch –, erzählte er, seine Mutter sei Französin und sein Vater Araber, verschwieg aber, dass sein Vater einer der reichsten Ölscheichs der Vereinigten Arabischen Emirate war. Warum er dann am Steuer eines miesen Taxis sitzen müsse, wäre ohne Zweifel die nächste Frage gewesen, und natürlich hätte er damit Verdacht erregt. Aber Abda hatte schon sehr bald erkannt, dass Amerikaner sowieso lieber über sich selbst sprachen.
    „Besuchen Sie unsere wunderbare Hauptstadt geschäftlich oder zum Vergnügen?“ Mehr brauchte er nicht zu fragen. Irgendwie waren Taxifahrer doch wie Barkeeper – eine Art Ersatztherapeut. Und tatsächlich hatte er herzerweichende Geschichten von Scheidungen und dreist geprahlte Geschäftserfolge gehört.
    Abda sah ihn die Haupttreppe herunterkommen und war sofort in Alarmbereitschaft. Er setzte sich kerzengerade in seinem Sitz auf. Dann sah er sich selbst kurz missbilligend im Rückspiegel an.
    „Reiß dich zusammen“, sagte er leise. Es war nur ein Botenjunge, der häufig für kleine Erledigungen eingesetzt wurde. Niemand nahm ihn für voll. Und trotzdem wartete Abda fast wie ein Sklave, unsicher und wachsam, was der Bote für ihn zurücklassen würde.
    Abda versuchte sich sein Machtgefühl zu bewahren. Die Abhängigkeit von denen, die eher seine Feinde als seine Verbündeten waren, durfte ihn nicht weiter stören. Gut, das gemeinsame Ziel hatte sie zueinandergebracht, aber die Ideologie erhielt ihre Feindschaft aufrecht. War es falsch, sich vom Feind benutzen zu lassen, wenn man ihn seinerseits umgekehrt genauso benutzte?
    „Fünfzehnte Ecke Constitution“, sagte der junge Mann, während er die Tür öffnete und einstieg, ohne ihn auch nur eines Blickes zu würdigen. Als wäre er nicht schon viele Male mit Abdas Taxi gefahren.
    Abda lächelte und spielte sein Spiel, als er ihn grüßte: „Einen guten Tag an diesem wunderbaren Nachmittag.“
    Der junge Mann ignorierte ihn. Er verlor keine Zeit, sondem packte Akten aus und sah sie mit einer Hand durch, während er mit der anderen etwas in einen Taschen-Computer tippte. Für Abda waren diese kleinen Maschinen der Untergang menschlicher Kommunikation. Kein Terror, kein Weltkrieg, sondern eine schlichte Maschine, auf der die Menschen Nachrichten tippten, anstatt sich einfach miteinander zu unterhalten.
    Abda warf einen verstohlenen Blick in den Rückspiegel, während er den Wagen vom Seitenstreifen in den laufenden Verkehr einfädelte. Der Mann war nicht viel jünger als Abda, und doch waren ihre Leben so grundverschieden. Er überlegte, was dieser junge Mann wohl in zehn oder zwanzig Jahren machen würde. Es würde nicht mehr allzu lange dauern, bis sein grimmiger Gesichtsausdruck zu tiefen Linien um seinen Mund und einer permanenten Falte zwischen den Augenbrauen geführt haben würde. Das blonde Haar würde einen grauen Schatten bekommen, die gebräunte Haut ledrig werden. Das teure Goldkettchen an seinem Handgelenk würde ihm nicht mehr so wichtig sein wie jetzt noch. Und die Augen, die er hinter einer Brille mit Fensterglas verbarg – mit der Designerbrille wollte er älter und distinguierter aussehen –, diese Augen würden ihr Funkeln verlieren und immer weniger sehen. Aber mehr noch fragte sich Abda, ob dieser Mann in zehn oder zwanzig Jahren mit sich zufrieden sein würde. Bei sich selbst war sich Abda da völlig sicher.
    Nach ein paar Minuten schon erreichten sie das Fahrtziel. Noch bevor Abda den Wagen zum Stehen gebracht hatte, hielt der Mann ihm schon einen Zehn-Dollar-Schein hin

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