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hätte so gern wieder seine Hand genommen und etwas Bestätigung bekommen, aber er trommelte schon wieder mit den Fingern auf die Lehne.
Noch bevor sie erleichtert ausatmen konnte, driftete sein Blick wieder ab. Sie musste sich zufriedengeben, auch wenn er nur ein paar Sekunden wirklich bei ihr gewesen war. Sie durfte eben nicht zu viel erwarten. Das hatten sie ihr schließlich auch gesagt – dass es möglicherweise nur hier und da ein kleiner Moment der Klarheit sein würde. Sie wusste, dass er so schnell wieder zu sich kommen konnte, wie er die Realität verlassen hatte. Aber auch, dass dies vielleicht nie wieder geschehen würde.
Er klopfte mit den Füßen auf den Boden, während er erklärte: „Ich esse morgen mit deiner Mutter zu Mittag.“
In diesem Moment rutschte Sabrinas Herz wieder in die Magengrube. Er kam nicht zurück. Jedenfalls nicht heute.
14. KAPITEL
Tallahassee, Florida
Jason Brill wollte schon die Löschtaste drücken, als er die Liste verpasster Anrufe auf seinem Handy durchging. Er hatte nur drei der Nachrichten abgehört, aber er konnte sich denken, dass der Rest ähnlich war. Irgendjemand hatte gegenüber den Medien über das Missgeschick des Senators geplaudert.
Jason hätte es nicht gewundert, wenn es sich bei diesem Jemand um William Sidel selbst gehandelt hatte. Auch wenn er sich nicht vorstellen konnte, was Sidel davon hätte haben sollen. Den Senator vor einer kleinen Gruppe bloßzustellen, war eine Sache, aber selbst einem aufgeblasenen Witzbold wie Sidel musste klar sein, dass man dem Urheber seiner staatlichen Unterstützung nicht vor aller Augen ans Bein pinkelte. Immerhin ging es um Subventionen, Steuernachlässe und möglicherweise einen Staatsauftrag in Höhe von hundertvierzig Millionen Dollar.
Senator Adams weigerte sich, irgendetwas wegen der Medienberichte zu unternehmen. Er meinte, er wolle die Berichte mit einer Reaktion nicht auch noch aufwerten.
„Die ganze Sache ist völlig lächerlich. Ich war nun mal ein bisschen angeschlagen wegen des Wetterwechsels. Vielleicht war es auch eine Grippe“, sagte er, als würde er es selbst für wahr halten.
Aber dann bestand er darauf, dass Jason alle Termine für das Wochenende absagte, auch den Ort des Empfangs zum Energiegipfel wollte er nicht in Augenschein nehmen, sondern gleich morgen nach Washington zurückfliegen.
Jason hatte zustimmend genickt, sich dabei aber auf die Zunge gebissen, weil er das für einen massiven Fehler hielt. Er sah schon die Schlagzeilen vor sich: „Senator kotzt und flüchtet“.
All die wunderbaren Statements über die Befreiung von der Abhängigkeit von ausländischem Öl und die Rettung der Umwelt, die er zu Anfang seiner Tour hier abgegeben hatte, würden im Archiv verschwinden und damit vergessen sein. Glücklicherweise gab es wenigstens keine Filme oder Fotos vom Senator, wie er über dem Geländer hing und sein halb verdautes Essen in die Schlachtabfälle unter ihm erbrach.
Jason fuhr sich mit der Hand über den Unterkiefer und sah zu, wie Senator Adams an seinem Whiskey nippte. Der Blick auf die Ablage über der Minibar und die Reihe hübsch aufgereihter leerer Miniflaschen sagte ihm, dass es wohl tatsächlich besser war, die Wochenendtermine abzusagen. Es war leichter, mit den Medien klarzukommen als mit verunglückten Äußerungen des Senators am Tag danach, ob es nun schiefe Vergleiche waren oder irgendwelche halb rassistischen Aussetzer.
Jason wusste, dass der Senator ein großes Herz hatte. Themen wie alleinerziehende Mütter, die mit einem Job von der Sozialfürsorge loskamen, waren ihm wichtig. Er setzte sich für höhere Mindestlöhne ein und unterstützte Steuernachlässe für mittlere Einkommen. Aber weil er sich so leidenschaftlich für die amerikanische Arbeiterschicht einsetzte, übertrieb er es gelegentlich und bezeichnete illegale Einwanderer als „Parasiten“.
„Damit wollte er etwas beweisen“, sagte der Senator plötzlich, nachdem er eine ganze Weile getrunken und aus dem Fenster in die Nacht von Tallahassee gestarrt hatte.
„Und was sollte das sein?“, fragte Jason und wusste, dass sie beide nach wie vor an Sidel dachten.
„Ich habe ihm letzte Woche mitgeteilt, dass der Vertrag möglicherweise nicht durch den Investitionsausschuss kommt.“
„Ich dachte, das wäre längst wasserdicht“, erwiderte Jason und unterdrückte den Zusatz: Warum zum Teufel haben Sie mir das nicht schon letzte Woche gesagt?
Der Vertragsabschluss hatte eigentlich so getimt
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