Organic
schlimmer. Sie hatte einen Platz genau neben jenem ausgesucht, wo er mit der Senatorin das mentale Vorspiel gehabt hatte. Er war fast entsetzt, dass er darauf eindeutiger reagierte als auf die Erinnerung an den Sex mit Lindy.
Vor ihr stand eine riesige Margarita, die schon halb leer war. Er ließ sich ihr gegenüber nieder und saß noch gar nicht richtig, als sie sagte: „Wie? Nicht mal ein kleiner Kuss auf die Wange?“
Er sah sie an. Auf die Idee wäre er gar nicht gekommen. Er fand, solche Bekundungen von Zuneigung wirkten immer irgendwie besitzergreifend. Er hätte am liebsten gesagt: Es war doch nur eine Nacht. Aber bevor er irgendetwas sagen konnte, grinste sie.
„War ein Scherz. Im Ernst. Bleib ganz locker.“
Er versuchte zu lächeln, aber er fand das Ganze nicht witzig. Er kam sich vor, als hätte sie ihn herzitiert, und das gefiel ihm nicht. Er überlegte, ob Frauen eigentlich wussten, wie viel Macht sie über Kerle wie ihn hatten. Die sich immer verpflichtet fühlten, wenn sie etwas Wertvolles bekamen, Sex zum Beispiel ... oder Vertrauen. Onkel Louie pflegte zu sagen, dass ein Mann ohne drei Dinge niemals leben konnte: jemandem vertrauen zu können, auf jemanden stolz zu sein und Sex zu haben.
„War ein harter Tag“, seufzte er und meinte es als Entschuldigung.
„Der Lunch hier war nicht gerade witzig, was?“
Er nickte, sagte aber nichts. Selbst im Scherz war Jason immer sehr vorsichtig mit dem, was er über seinen Job äußerte. Da lauerten zu viele Aasgeier, die nur auf etwas Verwertbares warteten, das sie – notfalls auch ohne jede Substanz – zum nächsten Politskandal in Washington aufbauschen konnten. Er befürchtete, Lindy könnte weniger vorsichtig sein.
Sie beugte sich vor. „Ich habe eine Menge Ärger wegen der Sache mit Zach.“
Okay, dachte Jason. Ihre Art der Vorsicht war es, das Wort „Mord“ mit „Sache“ zu ersetzen.
„Wir können einfach nicht viel machen.“
„Das hast du schon mal gesagt.“ Das kam wie eine Ohrfeige.
Jason konnte sich nicht erinnern, das schon gesagt zu haben, höchstens einmal vielleicht. Wenn sie darüber reden wollte, fiel ihm nichts weiter ein. Fast wäre es ihm lieber gewesen, sie hätte über eine „Beziehung“ oder so einen Scheiß reden wollen.
„Ich muss zur Polizei gehen mit dem, was ich weiß“, sagte sie, diesmal flüsternd. Sie blinzelte ihn durch ihre langen Wimpern an und sah dabei fast wie ein kleines Mädchen aus.
„Wieso denkst du eigentlich, dass du dazu meine Erlaubnis brauchst?“
„Weil wir beide dort waren.“
Er wollte fragen, was diese Tatsache mit dem zu tun hatte, was sie über Zach wusste, aber der Kellner kam. „Was wünschen die Herrschaften?“
Jason sah zu, wie sich Lindy auf ihrem Sitz zurückfallen ließ. Mit diesem Schmollmund erinnerte sie ihn nur noch mehr an ein kleines Mädchen.
„Whiskey-Cola“, sagte Jason. Dann warteten sie, bis der Kellner gegangen war.
Jason sah sich in der Kneipe um, damit er seine Aufmerksamkeit nicht sofort wieder Lindy zuwenden musste. Wie beim letzten Mal war eine kleine Feier im Gange. Diesmal ein paar Tische weiter. Er sah Luftballons und Blitzlichter. Er fühlte sich leer und schlecht vorbereitet auf eine Freundin, die gar nicht wirklich seine Freundin sein zu wollen schien. Ein Mädchen ... eine Frau, die er kaum kannte, aber mit der es für immer eine Verbindung geben würde.
Schließlich wandte er sich wieder Lindy zu. Er zückte seine Brieftasche, legte einen Zehn-Dollar-Schein auf den Tisch und sagte: „Tu, was du für richtig hältst.“
Dann stand er auf, ging und sah dabei lockerer und entspannter aus als beim ersten Mal, als sie ihn hereingelegt hatte.
51. KAPITEL
Tallahassee, Florida
Sabrina war noch nie in Miss Sadies Haus gewesen. Der Grundriss war genau derselbe wie bei Sabrina, aber Miss Sadie hatte ihr Zuhause mit Perserteppichen, eleganten Antiquitäten aus dunklem Holz und gerahmten Ölgemälden -alles Originale und ausschließlich von der See, manche mit Fischerbooten, manche nur mit Meeresansichten – und einer Reihe kleiner Kohlezeichnungen von Ballerinas dekoriert. Alles hatte seinen Platz, alles war ordentlich und sauber, selbst die Regale und Ablagen waren voller exotischer Dinge, von fein geblasenen Glastierchen und Elefantenglocken aus Messing über Keksdosen aus Keramik und ledergebundenen Büchern bis hin zu handgearbeiteten afrikanischen Masken.
Sabrina war sofort fasziniert und berührt und vorübergehend abgelenkt, aber
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