Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Organic

Organic

Titel: Organic Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Kava
Vom Netzwerk:
Vater?
    Immer die gleichen Gedanken schössen ihr durch den Kopf. Sie sah Annas Körper vor sich, wie er in den Wassertank fiel. Jedes Mal wirbelten die Arme in der Luft, blähte sich der weiße Kittel auf und fiel wieder zusammen wie ein Fallschirm, der sich nicht rechtzeitig öffnet. Arme Anna.
    Irgendjemandem musste sie davon erzählen. Wieder griff sie nach dem Telefon. Wie ein enger Reif legte sich die Panik um ihre Brust. Sie musste sich setzen. Sie versuchte sich aufs Atmen zu konzentrieren. Nichts in ihrem bisherigen Leben hatte sie auf eine solche Situation vorbereitet.
    Der Schmerz hielt an, ein dumpfes Drücken. Sabrina ließ sich vom Stuhl auf den Boden rutschen, zog mit den Armen die Knie an die Brust und schloss die Augen. Sie wusste nur zu gut, dass man manche Momente im Leben nie mehr vergessen konnte, Momente, die alles veränderten, in denen man sich selbst veränderte. Einer dieser Momente war der Autounfall ihrer Mutter gewesen. Damals hatte Sabrina sich nicht vorstellen können, dass irgendetwas anderes noch mehr wehtun könnte. Noch Tage danach hatte sich ihr Körper wie geschunden und geprügelt angefühlt, sodass sie es morgens kaum aus dem Bett geschafft hatte. Auf den Schmerz folgte eine Taubheit, nicht viel besser zwar, aber leichter zu ignorieren.
    Dieser Schmerz, diese Panik schienen nur der Anfang, und das machte es fast noch unerträglicher. Sie hätte nicht sagen können, wie lange sie so dasaß, an die Wand starrte und sich auf ihre Atmung konzentrierte. Im Zimmer wurde es allmählich dämmrig, aber noch hatte keine ihrer Zeitschaltuhren eine Lampe eingeschaltet.
    Dann klopfte es leise ans Fenster. Sabrina fuhr auf, als wäre es ein Revolverschuss gewesen. Dann kroch sie panisch in eine Ecke zwischen Wand und Sessel. Wie hatten sie sie nur so schnell finden können? Diesmal gab es keinen Alarm, keinen Fluchtweg. Ihre Augen fuhren umher auf der Suche nach einer Waffe, aber sie sah nur noch Umrisse. Sie erkannte das Zimmer kaum wieder.
    Dann hörte sie es erneut, ein schwaches Pochen auf Glas, kein Klopfen. Am Fenster, nicht an der Tür. Als wollten sie sie in ihrem eigenen Zuhause quälen – nein, nicht ihrem Zuhause. Ihr Zuhause war Chicago. Hier dagegen lebte sie nur vorübergehend.
    „Sabrina, Liebes.“ Das Wispern kam mit dem nächsten leisen Pochen. Zuerst dachte sie, sie hätte Halluzinationen. Die Stimme ihrer Mutter? Stand es schon so schlimm um sie? Erging es ihr jetzt wie ihrem Vater? Lag das etwa in der Familie?
    „Liebes, sind Sie da drin?“
    Es war Miss Sadie. Jetzt erkannte sie die schmale Silhouette an der Terrassentür. Die letzten Sonnenstrahlen warfen den Schatten ihrer Nachbarin durch die Jalousie.
    Sabrina stützte sich an der Wand ab, als sie aufstand. Ihr war ein wenig schwindelig, als hätte sie ein paar Gläser zu viel getrunken. Du stehst unter Schock, redete sie sich gut zu. Merkwürdig, dass sie das wusste, ohne etwas dagegen tun zu können. Ihre Lungen taten noch immer weh, der Reif lag noch immer fest um ihre Brust. Sie wollte Miss Sadie sagen, sie solle gehen, dass ihr Grog diesmal nicht ausreichen würde als Medizin. Es würde mehr brauchen als ein paar Beutel Tiefkühlerbsen. Diese Verletzung würde nicht in ein paar Tagen verheilen. Aber trotzdem lief Sabrina zur Terrasse, erleichtert, nicht mehr allein zu sein.
    Sie zog die Tür auf, ohne die Jalousien hochzuziehen. Heiße feuchte Luft schlug ihr ins Gesicht. Bevor sie etwas sagen konnte, schlang Miss Sadie ihre dünnen Finger um ihr Handgelenk.
    „Besuchen Sie uns doch einen Moment, Lizzie und mich“, sagte sie und zog ein wenig an Sabrinas Arm.
    Sabrina hätte fast gelacht. „Besuchen?“ Selbst ihre Stimme klang hysterisch.
    „Kommen Sie“, flüsterte Miss Sadie hartnäckig, ihre Stimme so sanft und beruhigend wie immer. Aber als Sabrina ihr in die Augen sah, wurde ihr klar, dass die alte Frau längst Bescheid wusste, genau wie am Abend zuvor.

50. KAPITEL
    Washington D. C.
    Lindy rief im Büro an, bevor Jason Feierabend machte. Sie wollte ihn treffen. Sagte, sie müssten reden. Er schlug das „Wally’s“ vor, weil da alle hingingen. Wenn sie dort jemandem auffielen, konnten sie sich ebenso gut zufällig getroffen haben. Aber als er den Laden betrat und sie begeistert winkte, hätte er sich am liebsten einen Tritt verpasst. Verdammt, womöglich hielt sie ihn jetzt sogar für einen Romantiker, weil er den Ort vorgeschlagen hatte, an dem sie sich kennengelernt hatten.
    Es kam noch

Weitere Kostenlose Bücher