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Orient-Express (German Edition)

Orient-Express (German Edition)

Titel: Orient-Express (German Edition)
Autoren: John Dos Passos
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und zieht sich zusammen wie
   eine Harmonika, gemartert von sadistischer Hand
In die Risse des Himmels fliehen die Lokomotiven
In rasendem Taumel
Und in die Gruben
Die schwindelerregenden Räder, die Münder, die Stimmen
Und bellend hetzten die Hunde des Unheils hinter uns her ...
     
    Und immer weiter geht es mit seinen Erinnerungen an zerrissenes, wirbelndes Metall, an Züge aus sechzig Lokomotiven, die unter Volldampf in Richtung Port Arthur verschwinden, an Krankenhäuser und Freudenmädchen und Juwelenhändler, Erinnerungen an das erste grandiose Projekt des zwanzigsten Jahrhunderts, gesehen durch schmutzige Fensterscheiben, in seinen Kopf gebleut vom ungleichmäßigen Rattern der breitspurigen Transsibirischen. Krähen am Himmel, Leichenberge am Bahndamm, brennende Krankenhäuser, eine unvorhergesehene Ausschmückung in diesem majestätischen Panorama von Flüssen und Seen und Bergen, das im grünlichen Dämmerlicht des Schuppens auf der Exposition Universelle vorbeizieht.
    Dann haben wir Le Panama ou Les Aventures de mes Septs Oncles , sieben verschwundene Onkel, gewidmet dem letzten Franzosen in Panama, dem Barkeeper in Matachine, wo Chinesen sterben, wo zwischen ausrangierten Lokomotiven Virginia-Eichen wachsen, wo, bis auf einen großen, mit dem Wappen Ludwigs XV. versehenen Anker mitten im Wald, die Überreste von Lesseps’ 36 Unternehmung verrostet und lianenüberwuchert dahinrotten.
     
In jener Zeit etwa habe ich auch die Geschichte gelesen
       vom großen Beben zu Lissabon
    Doch ich denke
    Entscheidender war der Panamaskandal
    Hat er doch meine Kindheit erschüttert.
     
    Ich hatte ein schönes Bilderbuch
    Und sah zum ersten Mal
    Den Wal
    Die dicke Wolke
    Die Sonne
    Das große Walross
    Den Bären den Löwen den Schimpansen die Klapperschlange
       und die Fliege
    Die Fliege
    Die entsetzliche Fliege
    «Mama, die Fliegen! Die Fliegen! Und die Baumstämme!»
    «Schlaf, mein Kind, schlaf.»
    Ahasver ist dumm.
     
    ................
     
    Der Panamakrach war’s, der mich zum Dichter machte!
    Es ist fabelhaft
    Allen aus meiner Generation ging es so
    Junge Leute
    Die die seltsamsten Schicksalsschläge erlitten haben
    Wir spielen nicht mehr mit Möbeln
    Wir spielen nicht mehr mit altem Kram
    Wir zerschlagen, wo immer wir sind, weiterhin Geschirr
    Wir schiffen uns ein
    Wir jagen Wale
    Töten Walrosse
    Wir leben dauernd in Angst vor der Tsetsefliege
    Denn wir schlafen nicht gern ...
     
    Phantastische Männer, diese Onkel. Einer war ein Metzger in Galveston, der bei dem Wirbelsturm von 1895 umkam, ein Zweiter war Goldwäscher in Klondike. Ein Dritter wandte sich dem Buddhismus zu und wurde beim Versuch gefasst, Engländer in Bombay in die Luft zu jagen; der Vierte war Kammerdiener eines Generals im Burenkrieg; der Fünfte war Küchenchef in Grand Hotels; der Sechste verschwand in Patagonien mit einem Haufen elektromagnetischer Präzisionsinstrumente; was aus dem Siebten wurde ist unbekannt.
    Es war der zweite Onkel, der Gedichte im Stil von Musset schrieb und in San Francisco die Geschichte von General Suter las, dem Mann, der Kalifornien für die Vereinigten Staaten eroberte und den die Entdeckung von Gold auf seiner Plantage in den Ruin stürzte. Dieser Onkel heiratete die Frau, die das beste Brot im Umkreis von tausend Meilen machte, und wurde eines Tages mit einer Kugel im Kopf aufgefunden. Die Frau verschwand. Sie heiratete wieder und ist nun die Frau eines reichen Marmeladefabrikanten.
    Blaise Cendrars schreibt inzwischen Gold , die Geschichte von General Johann August Suter, einen Roman, der die rasanteste, konziseste Geschichte nachzeichnet, die ich je gelesen habe, und wie ein Messer durch die Seichtheiten der zeitgenössischen französischen Literatur mit ihren zitronengelben Handschuhen und dem Parfüm und dem Weihwasser und ihrer Vorliebe für den Policier-Gentleman schneidet. Weil Cendrars, anders als die Vertreter der Quai-d’Orsay-Schule das für sich behaupten, tatsächlich ein internationaler Vagabund ist, hat er die grandiosen Rhythmen Amerikas von vor fünfundsiebzig Jahren einfangen können, deren Mythen unsere Generation gerade erst zu erschaffen beginnt. (Als ob irgendjemand wirklich etwas war; er ist ein guter Schriftsteller, belassen wir es dabei.) In Gold macht er aus der tragischen und turbulenten Absurdität von 1849 ein Feuerwerk. Alles ist so schnell vorbei, dass man es gleich noch einmal lesen muss, weil man befürchtet, etwas übersehen zu haben.
    Aber die sieben Onkel.
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