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Orient-Express (German Edition)

Orient-Express (German Edition)

Titel: Orient-Express (German Edition)
Autoren: John Dos Passos
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Okzidentalen hineingingen und im Namen von Liberté, Fraternité und Egalité ich weiß nicht wie viele Gläser Absinth tranken. In einer unendlich rosafarbenen Wolke sauste ich zum Hotel, wo ich den Franzosen und den Sajjid irgendwie abschütteln konnte, und war schließlich allein, räkelte mich wohlig in einem heißen Bad, das nach Absinth schmeckte, nach Absinth roch, angenehm dampfte und rauschte und absinthrosa prickelte.

XI    TABLE D’HÔTE
     
     
    1. Der Wind bläst das Zelt auf wie einen Ballon,
    es zerrt an gespannten Seilen,
    will sich losreißen und losfliegen
    über wermutbedeckte Schluchten
    und schartige Feuersteinhügel,
    hinauf in die stürmische Nacht
    und die heulenden Wolken.
    Fest
    wie ein Wurm sich listig
    um das Staubblatt einer Fuchsie schlingt,
    schlingt ein Mann die Hände um eine Kerze.
    Die Flamme zittert im Wind,
    züngelt an seinen Händen,
    färbt die schwankenden Mauern rot.
    Die Hände werfen Schatten auf die roten Mauern.
     
    Das Kerzenlicht schwindet, flackert wieder auf.
    Die Schatten sind voll von alten Zeltbewohnern –
    Männer, neugierig auf das Leben in den Städten,
    Männer, die andersartiges Brot probieren wollen,
    Männer, die sich auskennen mit Polarstern
    und Mondphasen,
    die sich Ost und West
    lässig über die Schulter werfen
    wie einen Mantel:
    Herodot, Thales, Demokrit,
    Heraklit, der Flüsse beobachtete,
    parosstirnige lohwangige Reisende,
    die lange bei den Weinhändlern saßen und zuhörten,
    früh aufstanden und den Hafenwind schnupperten
    und das Leuchten der Wüstenorte in der
    Morgendämmerung sahen,
    und wachen Sinnes
    Meere und Ebenen und Städte bereisten,
    in festen Händen
    bis an die grauen kühlen Augen
    die eigenwilligen Seelen von Menschen und Göttern.
     
    Die Kerze ist in Dunkelheit und Wind erloschen.
    Das Zelt widersteht dem starken Wind,
    festgezurrt, mit Steinen beschwert.
    Mein Schlaf wird mit Träumen aufgepumpt,
    will sich losreißen und hochfliegen
    über wermutbedeckte Schluchten
    und schartige Feuersteinhügel,
    hinauf in die stürmische Nacht
    und die heulenden Wolken.
     
    Vielleicht wenn das Licht im Osten
    blecherne und scharlachrote Becken schlägt
    mit dem Brummen und Klingeln mächtiger Glocken,
    werden weiß über feuersteinbedeckte Hügel
    die suchenden zeltlosen Karawanen kommen,
    die Bilkis 32 unermüdlich führt,
    nickend in ihrem Gewand,
    auf einem brüllenden Dromedar.
     
    2. Képis, zwei Mützen, ein Filzhut und eine Melone, kopflos auf der Garderobe. Ein herunterhängender Schal, ein Regenschirm. Dazwischen mein Hut. Die Türen schwingen ...
    Tisch, zwei Reihen grüner weißer Kiefer ( comme on s’ennuie ), kauende rasierte Kinnbacken vor Ketchup-Flaschen und Pickles-Gläsern; Kragen schnüren die Adern an schlaffen Hälsen ein; Messer und Gabeln klimpern in azetylenschimmerndem Zickzack ( dans ce sale pays ). Seitenblicke ( comme on s’ennuie ) halten Gedanken fest ( dans ce sale pays ) wie Klammern auf dem Vorderschnitt von Taschenbüchern.
    Mit knarrenden Schritten gehe ich, gesättigt, unauffällig zu den Schwingtüren.
     
Und gestern
ritt ich auf einem grauen Hengst
in den ersten Olivengarten
und vorgestern
saß ich im vollen Wind,
aß Datteln, in Ghee gebraten,
rechts neben Jassem er-Rawwaf
in der roten Höhle des Feuerscheins,
und sah Hassun seine blutende Fußwunde
in glühender Asche stillen
und lehnte den Kopf an den Ballen
mit fadenartigem gelben persischen Tabak
die Augen gepeinigt vom durchdringenden Rauch
die Beine zerstochen von scharfen Wüstensteinen,
und hörte Salehs
leises durstiges Lied
vom ausgemergelten Hossein und Kerbela
für den schlanken Ali,
dessen Gang, wenn er rufend und rufend
in das Lager die zweiundvierzig Kamele führte,
ein Zug von Königen war, dunkle Heimkehrer,
eingemeißelt auf einem Berg
im Triumph,
und ich fragte mich,
die spitzen Wermutflammen betrachtend,
warum Nawwaf an jenem Tag davonritt
auf seinem großen weißbärtigen Dromedar
ohne ein Stück Brot,
krausbärtiger Nawwaf,
Freund des Winds, Kenner der vier Himmelsrichtungen,
der, wenn er lachte, Stahl
aus kajalschwarzen Augen sprühte.
 
esch-Scham

XII   DER HOMER DER
TRANSSIBIRISCHEN EISENBAHN
     
     
    Bei der Pariser Weltausstellung von 1900 – aber vielleicht ist das alles ein Traum, vielleicht habe ich jemanden davon erzählen hören; nein, es muss passiert sein – gab es irgendwo zwischen Eiffelturm und Trocadéro einen langen Schuppen. In diesem Schuppen stand ein nagelneuer Zug der Transsibirischen
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