Orks vs. Zwerge 2 - Fluch der Dunkelheit
Sekesh. Ihr Flüstern war so leise, dass es über dem Rauschen des nahen Bachs fast nicht zu hören war.
Der junge Broca sah sie verwirrt an und schickte dann einen schnellen Blick hinauf in den pechschwarzen, triefenden Himmel. Gleich darauf verwarf er den Gedanken wieder. Die Schamanin neigte nicht dazu, das Offensichtliche festzustellen. Ganz im Gegensatz zu mir. »Was genau meinst du damit?«
Eine langgliedrige Hand kroch unter Sekeshs Lederplane hervor und warf zwei Dutzend beschnitzter Knöchel vor ihm ins Gras. Dann deutete die Schamanin auf die Knochen, und ihre Augen schnappten auf. Bernsteinfarben bohrte sich ihr Blick direkt in seinen. »Ein Sturm kommt auf«, flüsterte Sekesh. »Ein gewaltiger Sturm. Und hinter ihm kommen Dunkelheit und Stille.«
»Ist das gut oder schlecht?«
Sekesh schüttelte kaum merklich den Kopf. »Es ist dunkel. Und still. Dunkler und stiller, als es je war. Als es sein dürfte.«
»Na, da fühlen wir uns doch alle gleich viel besser, wo wir das jetzt wissen, was?«
»Halt’s Maul, Dudaki«, sagte Krendar, ohne hinzusehen. »Der Sturm … wird er uns treffen?«
Für einen Moment hielt Sekesh seinen Blick fest, dann deutete sie ein Schulterzucken an. »Es hat angefangen.«
»Was?«
Die schwarze Aerc deutete mit dem Daumen über die Schulter, bachaufwärts. Dann schloss sie die Augen und begann wieder, vor sich hin zu summen.
Die Männer wechselten ratlose Blicke.
»Hat irgendjemand von euch eine Ahnung, was das heißen sollte?«, fragte Krendar schließlich.
Der Linke der Korrach schüttelte den Kopf. »Ich glaube, man muss …«
»… selbst Drûaka sein, um das zu verstehen«, beendete der Rechte den Satz seines Bruders. Die beiden taten das oft. Krendar fand es beinahe noch anstrengender als Dudakis ewiges Nörgeln.
»Und ich glaube«, rumpelte der Oger, dessen Augen Sekeshs Fingerzeig gefolgt waren, »sie meint den dort.«
Als Krendar aufsah, trat ein stiernackiger Aerc mit den Tätowierungen des Felsenbärenstamms an ihr Feuer. Ronkh, einer der anderen vier Broca, Truppführer in Prakoshs Gefolge. Es handelte sich also ziemlich sicher nicht um einen Freundschaftsbesuch. Der massige Krieger sah einen Moment auf sie herab. Dann verzog er abfällig die Miene und entblößte dabei zwei beeindruckende Hauer. »Prakosh will dich seh’n, Broca«, knurrte er. »Es gibt was zu besprechen.«
»Jetzt?«
»Wenn die Sonne aufgegangen ist, nach dem Frühstück und einem ausgiebigen Morgenschiss.« Ronkh sah ihn mit versteinertem Ausdruck an. »Natürlich jetzt.« Ohne Krendars Antwort abzuwarten, drehte er sich um und verschwand bachaufwärts in der Dunkelheit.
Es hat angefangen? Was hat angefangen? »Groshakk«, fluchte Krendar leise, schüttelte die Lederdecke von den Schultern und stand auf. »Dann werd’ ich mal.«
Modrath nickte. »Solltest du. Richte dem Alten Grüße von mir aus.«
Das Lager des Raut lag flussaufwärts unter einem kleinen Felsüberhang, der den größten Teil des Nieselregens abhielt. Krendar war der letzte der fünf Truppführer, der an das Feuer trat. Eilig neigte er den Kopf und bot Prakosh ehrerbietig den Nacken dar. Erst nach einem unwirschen Grunzen des Raut hob er vorsichtig die Augen. Die meisten anderen ignorierten ihn. Lediglich der bullige Leibwächter des Raut bedachte ihn mit einem finsteren Blick. Der Kerl mochte ihn nicht. Aber damit war er hier nicht allein. Krendar war nicht nur der jüngste der Truppführer – er war vor allem der Einzige, der nicht zum Felsenbärenstamm gehörte. Dass er trotzdem hier stand, hatte er Drangog, dem obersten Kriegshäuptling der Weststämme, zu verdanken. Jener hatte nämlich entschieden, dass sich Krendar mit seinen Leuten Prakoshs Trupp anschließen sollte. Drangog hatte beschlossen, dass kein Stamm allein die Bürde der Verantwortung für die Herzen der Gefallenen tragen sollte. Außerdem, so hatte Modrath es erklärt, mochte es der Häuptling nicht, wenn etwas vorging, bei dem er keinen Stein im Spiel hatte. Ragroth und sein Trupp waren ein Spielstein gewesen, über den Drangog ganz allein gebot. Jetzt aber führte Krendar die Reste der Doppelfaust von Ragroth, was ihn wohl zu einem der Spielsteine des Kriegsherrn selbst machte. Die Verpflichtung kam also mit der Aufgabe. Nur dass es niemand für nötig befunden hatte, ihm das vorher zu sagen. Als der Kriegshäuptling ihn dem Trupp von Prakosh zugeteilt hatte, war ihm nichts anderes übriggeblieben, als zu gehorchen, und Prakosh hatte
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