Orla Froschfresser
nicht so zu beeilen brauchen, denn Orla blieb vor dem großen roten Plakat lange stehen. Dann nickte er ein paarmal vor sich hin und grinste dabei hämisch. Orla dem Froschfresser war bestimmt irgendein ganz gemeiner Einfall gekommen.
Schon am Nachmittag des bewußten Samstags hatte der Zirkus Benito auf der Wiese unten am Bach ein großes, ausgeblichenes Zelt aufgeschlagen.
Es war ein herrlicher Tag.
Die Sonne schien von früh bis spät, und die Luft war trocken und gelb vom Staub.
Die Männer, die das Zelt aufstellten, schwitzten, daß ihre Hemden große, nasse Flecken bekamen. Sie schlugen mit schweren Holzhämmern Pfähle in die Erde, sie richteten hohe Masten auf und trugen ganze Wagenladungen Bretter und Bänke in das große, ausgeblichene Zelt.
Sie zogen an unzähligen Tauen, Schnüren und Seilen, und sie fluchten und pfiffen und schimpften dabei.
Das Zelt war an vielen Stellen mit alten Säcken und Lappen geflickt und sah recht alt aus. Aber groß war es —fast so groß wie das größte Haus in unserem Dorf. Vor dem Eingang hing ein blauer Vorhang mit allerlei goldenen Sternen darauf, und über dem Vorhang war ein Schild mit farbigen Lampen und kleinen Fähnchen angebracht. Wenn die Männer durch den blauen Vorhang gingen, konnte man die Finsternis im Innern des Zeltes sehen.
Dort drinnen also würden der Zauberkünstler und der Kanonenkönig und der radfahrende Hund auftreten. Es war aufregend und schön, daran zu denken.
Hinter dem großen Zelt war ein Zaun aufgestellt worden, und hinter dem Zaun standen mehrere dickbäuchige, grüne Wagen. Es gab auch kleine gelbe und grüne Zelte dort, und zwischen den Zelten und Wagen weideten zwei kleine Pferde, die mich freundlich ansahen. Um sie herum waren Heu und Gras aufgetürmt, und die warme Luft roch herrlich nach Pferdeäpfeln.
Vor dem größten der grünen Wagen saß ein dicker Mann in einem Liegestuhl und las Zeitung. Er hatte einen runden Hut auf dem Kopf und paffte an einer schwarzen Zigarre.
Er sah sehr schläfrig und sehr mißmutig aus.
Sicher gehört ihm der Zirkus Benito, dachte ich und schlich zwischen den anderen Wagen durch, weil er mich nicht unbedingt zu sehen brauchte.
Er hatte es sicher nicht gern, daß Jungen in seinem Zirkus herumschlichen.
Hinter einem anderen Wagen stand eine Kiste mit vielen runden Löchern an der Seite.
PUSSI stand auf dem Deckel der Kiste.
Was mag PUSSI wohl sein? fragte ich mich.
Ich besah mir die Kiste ein bißchen. Manchmal raschelte es in ihrem Innern, und ich wurde immer neugieriger. Ich guckte durch die runden Löcher, konnte jedoch nur etwas Weißes erkennen.
Vielleicht ist es der radfahrende Hund, dachte ich. Ich würde ihn mir zu gern mal ansehen.
Also hob ich behutsam den Deckel. Zuerst konnte ich in der dunklen Kiste gar nichts erkennen, doch plötzlich schnellte ein kleiner, weißer Hund in die Höhe und sprang ins Gras. Er rannte über die Wiese und verschwand zwischen den vielen Zelten und Wagen.
Au, Mann! dachte ich erschrocken und warf den Deckel zu. Das ist der radfahrende Hund gewesen.
Ich sah mich um.
Kein Mensch war in der Nähe. Irgendwo schepperte es in einem der Wagen, und gleich darauf hörte ich eine Frau schimpfen.
Oha! dachte ich. Der Frau gehört sicher der radfahrende Hund. Ich muß ihn wieder einfangen.
Also lief ich zwischen den Wagen durchs Gras und sah mich nach allen Seiten um.
Doch nirgendwo war ein weißer Hund zu sehen.
Vielleicht ist er ins Dorf gelaufen, dachte ich.
Ich rannte zum Garten des Schlachters, denn dorthin laufen alle Dorfhunde, wenn sie Hunger haben.
Aber es war nicht der geringste, winzigkleinste Hund im Garten des Schlachters.
Ich lief auf die andere Seite des Gartens und den Weg hinunter zum Kaufmann.
Auch dort war kein Hund.
Mir wurde langsam bange. Wenn ich den Hund nun nicht finde! Dann würde es abends in der Vorstellung des Zirkus Benito keinen radfahrenden Hund geben, und die Leute würden bestimmt fürchterlich böse werden auf die Dame, die ihn vorführen sollte.
Mir wurde ganz flau, und ich rannte mir die Beine aus, um den weißen Hund zu finden. Ich rannte im ganzen Dorf herum. Ich suchte in Gärten und Stallungen.
Bis ganz ans andere Ende des Dorfes lief ich.
Aber der kleine, weiße Hund war spurlos verschwunden. O weh, dachte ich und krümmte die Zehen in meinen Schuhen. Vielleicht hat jemand gemerkt, daß ich derjenige bin, der den radfahrenden Hund aus der Kiste gelassen hat. Jetzt traue ich mich am Abend nicht in den
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