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Orphan 1 Der Engel von Inveraray

Orphan 1 Der Engel von Inveraray

Titel: Orphan 1 Der Engel von Inveraray Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karyn Monk
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ungerechtfertigten Schmähungen zu überziehen", gab Haydon finster zurück. „Es ist ein ungeheures Glück, dass er kein Richter ist, sonst säße ganz Inveraray hinter Gittern."
    Genevieve schaute ihn überrascht an. Außer den Mitgliedern ihres Haushalts hatte sie kaum jemanden je auf diese Weise über den hohen Polizeibeamten sprechen hören. Der Umstand, dass Constable Drummond ein bösartiger Unmensch war, machte den vor ihr liegenden Mann nicht unschuldig, rief Genevieve jedoch in Erinnerung, dass sie Lord Redmonds Version dieser entsetzlichen Geschichte noch nicht gehört hatte.
    „Vielleicht könnten Sie mir genau erzählen, was in jener Nacht geschehen ist, Lord Redmond", schlug sie vor und faltete erwartungsvoll die Hände.
    Haydon seufzte. Er hatte dies schon so oft getan, und nie hatte ihm jemand geglaubt
    - nicht einmal der teure Anwalt, den er den ganzen langen Weg aus Inverness hatte anreisen lassen. Allmählich fragte er sich schon selbst, was genau in jener höllischen Nacht passiert war.
    Einen beherrschten Ausdruck auf dem Gesicht, stand Miss MacPhail kerzengerade am anderen Ende des Zimmers und betrachtete ihn. Zweifellos vertraute sie ihm nicht genug, um näher zu treten. Nachdem sie ihn die ganze Nacht hindurch gepflegt, ihn gewaschen und beinahe jeden Zentimeter seines Körpers mit ihren lindernden Berührungen bedacht hatte, nachdem sie seine Sinne mit sanften Worten, Gesang und dem frischen Duft nach Seife und Blüten angeregt hatte, war es fast unerträglich, dass sie jetzt davor zurückschreckte, heranzukommen. Ich kenne sie kaum, rief Haydon sich grimmig in Erinnerung.
    Dennoch verletzte ihn der Verlust ihres Vertrauens tief.
    Er schloss die Augen und kämpfte gegen das abscheuliche Dröhnen in seinem Schädel an. Wird mein erbärmliches Leben so zu Ende gehen, fragte er sich. Als verurteilter Mörder, dessen bloße Anwesenheit Frauen und Kinder in Angst und Schrecken versetzt? Gerade als er geglaubt hatte, er könne nicht mehr tiefer sinken, hatte er einem Mann ein Messer in die Brust gerammt und die Liste seiner Sünden um einen Mord erweitert.

    In diesem Augenblick war er beinahe froh, dass Emmaline nicht mehr lebte. Seine hübsche, unglückliche Tochter hätte diese zusätzliche Last in ihrem ohnehin elenden Leben gewiss nicht ertragen.
    „Lord Redmond?"
    Es gibt keinen Ausweg, erkannte er müde. Er würde Miss MacPhail seine Version jener Ereignisse erzählen müssen, die ihn ins Gefängnis gebracht hatten, um dort seine Hinrichtung zu erwarten.
    Und sie würde ihm entweder glauben oder dafür sorgen, dass man ihn aus ihrem Haus zerrte und zurück in die Zelle brachte.
    „An jenem Nachmittag war ich gerade erst in Inveraray angekommen", begann er mit ausdrucksloser Stimme. „Ich trug mich mit dem Gedanken, in eine neue Whiskybrennerei zu investieren, die nördlich von hier gebaut werden soll. Ich beschloss, in einem der hiesigen Wirtshäuser eine Erfrischung zu mir zu nehmen.
    Kurz nachdem ich es verlassen hatte, wurde ich plötzlich von vier Männern angegriffen, die meinen Namen kannten, obwohl ich keinen von ihnen je gesehen hatte. Offenbar waren sie nicht darauf aus, mich auszurauben, sondern wollten mich schlicht und einfach umbringen. Ich verteidigte mich nach Kräften und tötete dabei einen von ihnen, woraufhin die anderen drei das Weite suchten. Danach wurde ich verhaftet, des Mordes bezichtigt und verurteilt, obwohl ich kein einleuchtendes Motiv hatte, einen mir völlig fremden Mann einfach so umzubringen."
    „Waren Sie betrunken?" fragte sie und verzog verächtlich die Lippen.
    Ihre überhebliche Selbstgerechtigkeit ärgerte ihn. Welches Recht hatte sie, über ihn zu urteilen? Diese gouvernantenhaft dreinblickende, grau gewandete Jungfer, die da vor ihm stand, hatte zweifellos ein behütetes Leben in sittsamer, öder Behaglichkeit geführt. Was wusste sie schon von den Kämpfen und Herausforderungen des Lebens, vom Grauen, das die Seele eines Mannes zerfressen konnte, bis er glaubte, er könne keinen Augenblick länger ohne die Stärkung eines Drinks ertragen?
    „Sehr", entgegnete er barsch. „Doch ich war schon oft betrunken, Miss MacPhail, und soweit ich weiß, hat mich das noeh nie dazu verleitet, jemanden umzubringen."
    „Constable Drummond sagte, Sie hätten einen Streit mit dem Gastwirt vom Zaun gebrochen und seien hinausgeworfen worden."
    „Das stimmt."
    „Er hat auch berichtet, dass ..." Sie hielt unvermittelt inne, unsicher, ob es ratsam war

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