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Ort des Grauens

Ort des Grauens

Titel: Ort des Grauens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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waren mit einer Dreckkruste überzogen, die sich in Jahren angesammelt haben mußte. Es war unmöglich zu schätzen, aus welchem Material die Wände waren.
    Bobby und Frank standen knietief in Müll und Unrat, der vermutlich aus den Fenstern der zweigeschossigen Gebäude geworfen worden war. Man hatte ihn liegenlassen, so daß er sich in einen stinkenden Matsch verwandelt hatte, der dampfte wie ein Komposthaufen.
    Ihre magische Ankunft hatte eine Kolonie von Schaben aufgeschreckt, die weghuschten, und Schwärme fetter schwarzer Fliegen dazu gebracht, ihr Frühstück zu unterbrechen. Etliche glänzende Ratten setzten sich auf ihre Hinterteile, um zu sehen, wer da in ihrer Mitte aufgetaucht war, doch sie waren zu dreist, um sich davon verjagen zu lassen.
    In den Mietskasernen gab es viele leere Fensterhöhlen, einige waren mit öligem Papier verklebt, aber es gab keine einzige Fensterscheibe. Obwohl kein Mensch zu sehen war, drangen Stimmen aus den Räumen innerhalb der verrotteten Mauern: Lachen hier, ein Streit dort. Aus dem zweiten Stock des rechten Hauses ertönte das monotone Rezitieren des Mantra. Es war eine fremde Sprache, mit der Bobby nicht vertraut war, obwohl er den Verdacht hatte, sie könnten in Indien sein, vielleicht in Bombay oder Kalkutta.
    Bobby kriegte keine Luft. Er wußte nicht, ob es an dem unerträglichen Gestank lag, der den Geruch eines Schlachthauses wie ein neues Parfüm von Calvin Klein würde erscheinen lassen, oder an dem unaufhörlichen Gesumm der Fliegen, die ein großes Interesse an offenen Mündern und Nasenlöchern zeigten. Er würgte, legte die freie Hand vorden Mund, konnte immer noch nicht atmen und wußte, daß er jede Sekunde mit dem Gesicht zuerst in den abscheulichen, dampfenden Müll fallen würde, weil er gleich das Bewußtsein verlieren würde.
    Dunkelheit.
    Glühwürmchen.
    Rasende Geschwindigkeit.
    Ein Ort der Stille und des Schweigens. Die Strahlen der Nachmittagssonne drangen durch Mimosenzweige und sprenkelten den Boden mit goldenen Punkten. Sie standen auf einer roten orientalischen Fußgängerbrücke über einem Koi-Teich in einem japanischen Garten, wo zwischen ordentlich geharkten Kieselsteinen künstlerisch geformte Bonsais und andere akribisch gepflegte Pflanzen standen.
    »O ja«, sagte Frank. Es war ein Seufzer, der eine Mischung aus Verwunderung, Freude und Erleichterung zu sein schien. »Auch hier habe ich eine Weile gelebt.«
    Sie waren allein in dem Garten. Bobby fiel auf, daß Frank sich immer an Orten materialisierte, die vor Blicken geschützt waren, an Orten, an denen die Wahrscheinlichkeit gering war, während dieses Prozesses gesehen zu werden, oder unter Umständen - wie mitten in einem Wolkenbruch -, bei denen sonst belebte Plätze, wie beispielsweise ein öffentlicher Strand, mit ziemlicher Sicherheit menschenleer waren. Offenbar war sein Bewußtsein, das schon den schier unglaublich anstrengenden Akt vollbrachte, den Körper in seine Atome zu zerlegen, sie in ihrer Gesamtheit vorwärtszubewegen und den Körper wieder zu rekonstruieren, auch fähig, den Weg auszukundschaften, der vor ihm lag, und einen diskreten Ankunftspunkt auszuwählen.
    »Ich gehörte zu den Langzeitgästen«, erklärte er. »Das ist ein traditionelles japanisches Gasthaus in einem der Außenbezirke von Kyoto.«
    Bobby merkte erst jetzt, daß sie beide völlig trocken waren. Ihre Kleidung war zerknittert und mußte dringend gebügelt werden. Doch Frank hatte, als er sie in Hawaii dematerialisiert hatte, offenbar die Wassermoleküle zurückgelassen, die in ihren Klamotten und Haaren gewesen waren.
    »Sie waren so freundlich hier«, sagte Frank, »haben meine Privatsphäre respektiert, waren aber aufmerksam und nett.«
    Das klang wehmütig und sehr matt und müde. Es klang, als wäre er des ewigen Unterwegsseins so überdrüssig, daß er am liebsten direkt hier alles beendet hätte, selbst wenn das bedeuten sollte, unter den Händen seines Bruders sterben zu müssen.
    Bobby war erleichtert, als er feststellte, daß Frank auch nichts von dem Modder und Mist aus der engen Gasse in Kalkutta, oder wo immer sie gewesen waren, mitgebracht hatte. Ihre Schuhe und Hosen waren sauber.
    Dann bemerkte er allerdings etwas auf der Spitze seines rechten Schuhs. Er beugte sich vor, um die Stelle genauer in Augenschein zu nehmen.
    »Ich wünschte, wir könnten hierbleiben.« Frank seufzte. »Für immer.«
    Eine der Schaben aus dieser im Dreck erstickenden Gasse war jetzt ein Bestandteil von

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