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Ort des Grauens

Ort des Grauens

Titel: Ort des Grauens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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älter geworden ist, feststellen könnte, daß es sich eher dem anderen Geschlecht zuneigt, dem, das man ihm genommen hat, und sich auch eher so benimmt. Sekundäre Geschlechtsmerkmale sind bei Säuglingen natürlich sichtbar, können aber nicht so leicht bestimmt werden -ganz gewiß traf das damals zu. Und natürlich hätte Cynthia auch niemals einer Operation zugestimmt. Denken Sie an das, was ich Ihnen sagte -höchstwahrscheinlich war ihr die Deformation des Kindes nur recht, konnte sie sie doch als Waffe gegen ihren Bruder einsetzen.«
    »Sie hätten das Kind doch vor ihnen schützen können«, wandte Bobby ein. »Sie hätten die Gesundheitsbehörden auf die Misere des Kindes hinweisen können.«
    »Warum, zum Teufel, hätte ich das tun sollen? Wegen des psychischen Wohlbefinden des Kindes, meinen Sie? Seien Sie doch nicht naiv.« Er trank noch einen Schluck Bourbon.
    »Ich wurde gut bezahlt für die Entbindung und dafür, das Maul zu halten, und das war mir nur recht. Sie nahmen sie mit nach Hause, blieben bei ihrer Geschichte über den vagabundierenden Vergewaltiger.«
    »Das Baby«, sagte Julie, »Roselle - sie harte keine ernsten gesundheitlichen Probleme?«
    »Keine«, erwiderte Fogarty. »Abgesehen von dieser Abnormalität war sie gesund wie ein Pferd. Ihre mentalen Fähigkeiten und ihr Körper entwickelten sich zeitlich so wie bei anderen Kindern auch. Und es dauerte gar nicht lange, da wurde ersichtlich, daß sie äußerlich anfing, wie eine Frau auszusehen. Als sie noch älter wurde, konnte man sehen, daß sie zwar nie eine attraktive Biene werden würde, aber doch recht feminin wirkte, wenn sie auch eher der robuste, kräftige Typ war. Alles andere als ein Mannequin, dicke Beine und so.«
    Frank starrte immer noch blicklos vor sich hin und wirkte geistesabwesend, doch ein Muskel an seiner linken Wange zuckte zweimal.
    Der Bourbon hatte den Arzt offensichtlich entspannt, denn er saß wieder hinter seinem Schreibtisch, beugte sich vor und faltete die Hände um das Glas. »1959, als Roselle dreizehn war, starb Cynthia. Tatsächlich hat sie Selbstmord begangen. Schoß sich in den Kopf. Im folgenden Jahr, ungefähr sieben Monate nach dem Selbstmord seiner Schwester, kam Yarnell mit seiner Tochter in die Praxis - das heißt, mit Roselle. Er nannte sie nie seine Tochter und hielt die Fiktion aufrecht, sie sei nur seine unehelich geborene Nichte. Aber egal, Roselle war schwanger mit ihren vierzehn Jahren. Im selben Alter also, in dem Cynthia sie damals zur Welt gebracht hatte.«
    »Guter Gott!« rief Bobby.
    Die Schocks häuften sich mit derartiger Geschwindigkeit, daß Julie am liebsten den Whisky vom Tisch gegriffen und direkt aus der Rasche getrunken hätte, und es ihr sogar egal gewesen wäre, daß es Fogartys Schnaps war.
    Fogarty genoß ihre Reaktionen, nippte an seinem Bourbon und gab ihnen Zeit, den Schock zu verarbeiten.
    »Yarnell hat die Tochter vergewaltigt, die er seiner eigenen Schwester gemacht hatte?« fragte Julie fassungslos.
    Fogarty ließ sie noch ein wenig zappeln und genoß die Spannung. Dann: »Nein, nein. Er fand das Mädchen abstoßend, und ich bin ganz sicher, daß er es niemals angerührt hatte. Ich bin sicher, daß das, was Roselle mir erzählte, die Wahrheit war.« Wieder nippte er an seinem Bourbon. »Cynthia hatte in der Zeit zwischen Roselles Geburt und dem Tag, an dem sie sich das Leben nahm, einen ziemlich religiösen Fimmel entwickelt, und diese Passion für Gott hatte sie an Roselle weitergegeben. Das Mädchen konnte die Bibel vorwärts und rückwärts aufsagen. Also kam Roselle hierher, schwanger, sagte, sie hätte sich entschlossen, ein Kind zu haben. Sagte, Gott hätte sie zu etwas ganz Besonderem erkoren -so nannte sie ihren Hermaphroditismus etwas Besonderes -, weil sie ein auserwähltes Werkzeug sei, durch das begnadete Kinder auf diese Welt gebracht werden könnten. Aus diesem Grunde habe sie den Samen ihrer männlichen Hälfte gesammelt und ihn in ihre weibliche Hälfte injiziert.«
    Bobby schoß von dem Sofa hoch, als sei eine der Sprungfedern unter ihm entzweigegangen, und packte die Flasche Wild Turkey, die auf dem Schreibtisch stand. »Haben Sie noch ein Glas?«
    Fogarty deutete auf ein Barfach in der Ecke, das Julie vorher nicht bemerkt hatte. Bobby öffnete die Doppeltüren, woraufhin nicht nur mehr Gläser sichtbar wurden, sondern auch noch mehr Flaschen mit Wild Turkey. Offenbar bewahrte der Arzt immer nur deshalb eine Flasche in der Schublade auf, um nicht

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