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Ort des Grauens

Ort des Grauens

Titel: Ort des Grauens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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weite Kleider trug und während der letzten Monate die meiste Zeit im Haus blieb. Das habe ich nie verstanden. Es war, als hätten sie geglaubt, das Problem würde sich eines Tages in Luft auflösen. Zu der Zeit, da sie mich aufsuchten, war eine Abtreibung nicht mehr möglich. Verdammt, sie hatte schon die ersten Wehen.«
    Je länger Bobby Fogarty zuhörte, desto schlechter und stickiger schien die Luft in der Bibliothek zu werden, schwül und sauer wie Schweiß.
    »Yarnell, der behauptete, Cynthia so weit wie möglich voröffentlicher Ächtung schützen zu wollen, bot mir ein ziemliches Sümmchen dafür, daß ich sie nicht ins Krankenhaus schickte und die Entbindung gleich in meiner Praxis vornahm, was relativ riskant war - für den Fall, daß Komplikahonen auftreten sollten. Aber ich brauchte das Geld, und sollte wirklich etwas schiefgehen, dann hätte es Mittel und Wege gegeben, die Sache zu vertuschen. Damals hatte ich noch diese Krankenschwester, die mir assistieren konnte -Norma, sie war ziemlich flexibel.«
    Einfach großartig, dachte Bobby. Der psychopathische Arzt hatte sich eine psychopathische Schwester gesucht, ein Pärchen, das hervorragend zum medizinischen Personal von Dachau und Auschwitz gepaßt hätte.
    Julie legte die Hand auf Bobbys Knie und drückte es, als ob sie sich dadurch vergewissern wolle, daß sie keinem irren Doktor in einem Traum zuhörte.
    »Sie hätten sehen sollen, was aus dem Bauch dieses Mädchens rauskam«, fuhr Fogarty fort. »Eine Monstrosität war es - genauso, wie man es hatte erwarten müssen.«
    »Warten Sie mal«, unterbrach Julie. Ich dachte, Sie hätten gesagt, das Baby sei Roselle gewesen. Franks Mutter.«
    »Sie war's auch«, erwiderte Fogarty. »Und sie war eine so spektakuläre kleine Monstrosität, daß sie jeder Jahrmarktsbude auf dem Volksfest ein Vermögen eingebracht hätte, deren Besitzer das Risiko eingegangen wäre, sich Ärger mit den Behörden einzuhandeln.« Er hielt inne und genoß die Spannung, mit der sie ihm lauschten. »Sie war ein Hermaphrodit.«
    Bobby mußte einen Moment über die Bedeutung dieses Wortes nachdenken, dann sagte er: »Sie meinen doch nicht sie hätte beide Geschlechter gehabt, männlich und weiblich?«
    »Ja, das ist genau das, was ich meine.« Fogarty sprang aus seinem Stuhl auf und begann hin und her zu gehen, war plötzlich voller Energie. »Hermaphroditismus, Zwittertum, ist bei Menschen ein ausgesprochen seltener Geburtsfehler. Es ist schon aufregend, wenn man die Gelegenheit hat, ein solches Kind zur Welt zu bringen. Es gibt umgekehrten Hermaphroditismus, bei dem die externen Organe des einen Geschlechts vorhanden sind und die internen des anderen, dann gibt es laterales Zwittertum -und verschiedene andere Typen. Aber die Sache ist die: Roselle gehörte zu dem seltesten Typus, sie besaß die kompletten inneren und äußeren Geschlechtsorgane beider Geschlechter.« Er zog einen dikken medizinischen Wälzer aus einem der Regale und reichte ihn Julie. »Sehen Sie sich Seite hundertsechsundvierzig an, da finden Sie Fotos von den Dingen, von denen ich hier rede.«
    Julie gab das Buch so schnell an Bobby weiter, als hielte sie es für eine Schlange.
    Bobby seinerseits legte es ungeöffnet neben sich aufs Sofa. Das letzte, was er bei seiner Phantasie brauchte, war die As sistenz klinischer Fotos.
    Seine Hände und Füße waren kalt geworden, als sei das ganze Blut aus seinen Extremitäten in seinen Kopf geschossen, um sein Hirn zu versorgen, in dem sich alles wie wild zu drehen schien. Er wünschte sich, er könne aufhören, über das nachzudenken, was der Arzt ihnen da erzählte. Es war ungeheuerlich. Doch schlimmer noch: Bobby war angesichts des sonderbaren Lächeln Fogartys davon überzeugt, daß das, was sie bislang gehört hatten, nur der erste Gang dieses Horror-Menüs gewesen war. Der Hauptgang stand ihnen noch bevor.
    Fogarty ging auf und ab, während er weitersprach: »Ihre Vagina war in etwa da, wo man es erwarten konnte, die äußeren männlichen Organe waren dagegen etwas deplaziert. Das Urinieren fand durch den männlichen Teil statt, doch was die Fortpflanzung betraf, schien der weibliche komplett.«
    »Ich glaube, wir verstehen Sie«, sagte Julie hastig. »Auf die technischen Details können wir wohl verzichten.«
    Fogarty trat zu ihnen und schaute auf sie hinunter. Seine Augen waren so strahlend und lebendig, als gäbe er eine entzückende medizinische Anekdote wieder, mit der er im Lauf vieler Jahre Legionen

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