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Ort des Grauens

Ort des Grauens

Titel: Ort des Grauens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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war, in dem er und Julie sich in jungen Jahren zur Ruhe setzen würden. Er trieb durch das Wohnzimmer, über einen dunklen Perserteppich, vorbei an bequem aussehenden Polstersesseln, einem riesigen alten Sofa mit abgerundeter Rückenlehne und dicken Kissen, einer Ruhlmann-Vitrine mit bronzefarbenen Paneelen, einer Art-Deco-Lampe und überquellenden Bücherregalen.
    Die Musik erklang von draußen, also ging er hinaus. Er genoß die Leichtigkeit der Ortswechsel in diesem Traum, ging er doch durch eine Tür, ohne sie zu öffnen, überquerte eine breite Terrasse und ging Holzstufen hinunter, fast ohne jemals einen Fuß heben zu müssen. Die See dröhnte auf der einen Seite, und der phosphoreszierende Schaum der Sturzwellen schimmerte sanft in der Nacht. Unter einer Palme stand eine Wurlitzer 950 mit funkelnden goldenen und roten Lichtern, gefiltert durch Glasröhren, mit unablässig springenden Gazellen, Panfiguren, die ohne Unterlaß flöteten, mit einem Plattenwechsler-Mechanismus, der glänzte wie echtes Silber, und einer großen schwarzen Platte, die sich auf dem Plattenteller drehte. Muschelschalen lagen verstreut im Sand um die Wurlitzer herum.
    Bobby hatte das Gefühl, die »Moonlight Serenade« liefe ewig, was ihm durchaus recht war, weil er sich niemals abgeklärter, friedvoller gefühlt hatte. Und er spürte, daß Julie aus dem Haus hinter ihm gekommen war, daß sie auf dem feuchten Sand nahe am Meer auf ihn wartete, und daß sie mit ihm tanzen wollte, also drehte er sich um, und da war sie, bizarr erhellt vom Licht der Wurlitzer, und er ging einen Schritt auf sie zu ...
    Renn, geh, hau ab, rette Julie, das Böse Ding kommt, das Böse Ding, das Böse, renn, renn!
    Der indigofarbene Ozean brauste plötzlich auf, wie von einem Sturm aufgepeitscht, und Gischt sprühte in die Nachtluft.
    Ein Wirbelsturm schüttelte die Palmen.
    Das Böse Ding, das Böse Ding! Renn! Renn!
    Die Welt kippte weg. Bobby stolperte auf Julie zu. Um sie herum brandete die See auf. Sie wollte sie, sie würde sie packen. Das war Wasser mit einem eigenen Willen, ein denkendes Meer, ein feindseliges Meer, dunkel schimmernd in seinen Untiefen.
    Dos Böse Ding!
    Die Glenn-Miller-Melodie wurde schneller, die Platte wirbelte mit doppelter Geschwindigkeit herum. Das Böse Ding! Das sanfte, romantische Licht der Wurlitzer leuchtete grel
    ler, blendete seine Augen, doch es vermochte nicht, die Nacht zu vertreiben. Die Strahlen trafen ihn mit solcher Wucht, daß man meinen konnte, die Pforten der Hölle hätten sich geöffnet, doch die Dunkelheit um sie herum wurde dadurch nur intensiviert, gab diesem übernatürlichen Glühen nichts, aber auch gar nichts, preis. DAS BÖSE DING! DAS BÖSE DING!
    Die Erde kippte erneut. Sie hob und senkte sich.
    Bobby stolperte über den schlingernden Strand, auf Julie zu, die unfähig schien, sich zu bewegen. Sie wurde von der aufgewühlten, nachtschwarzen See verschlungen.
    DAS BÖSE DING DAS BÖSE DING DAS BÖSE DING DAS BÖSE DING!
    Mit dem harten Krachen berstenden Steins öffnete sich der Himmel über ihnen, doch kein Blitz schoß herunter aus dem zerbröckelnden Himmelsgebäude.
    Geysire aus Sand brachen um Bobby herum auf. Pechschwarzes Wasser schoß aus Löchern, die plötzlich im Strand klafften.
    Er schaute sich um. Der Bungalow war verschwunden. Die See brandete auf. Der Strand löste sich auf unter seinen Füßen.
    BÖSESDINGBÖSESDINGBÖSESDINGBÖSESDING!
    Eine dreißig Meter hohe Welle tauchte drohend vor Bobby auf.
    Sie stürzte nieder. Er wurde weggeschwemmt. Er versuchte zu schwimmen. Das Fleisch an seinen Armen und Händen wallte auf und warf Blasen und begann, sich abzuschälen, gab den Blick frei auf Knochen, weiß wie Eis. Das mitternächtliche Seewasser war eine Säure. Sein Kopf tauchte unter. Er keuchte, stieß wieder an die Oberfläche, doch die ätzende See hatte seine Lippen bereits weggeküßt, und er spürte, wie sein Zahnfleisch die Zähne freilegte, und seine Zunge verwandelte sich in einen widerlichen Brei im salzigen Brausen der beißenden Lake, die er -wohl oder übel - hatte schlucken müssen. Selbst die von Gischt erfüllte Luft war ätzend, zerfraß seine Lungen in Sekundenschnelle, so daß er, als er versuchte zu atmen, nicht mehr atmen konnte.
    Er ging unter, bemühte sich, sich mit wild fuchtelnden Armen und Händen, von denen nur die Knochen übrig waren, der Wellen zu erwehren, wurde von einem Sog erfaßt, in die Tiefe gezoge'n, in ewige Dunkelheit, Auflösung, ins

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