orwell,_george_-_tage_in_burma
ging. Es war einfach unmöglich, ihn sich selbst zu überlassen. Der Satan findet immer irgendwelchen Unfug, selbst im Dschungel. Eine kleine Welle wie Feuer lief die Linie der Sepoys entlang; sie machten ihre Bajonette los, bevor sie abmarschierten. Die staubige Formation machte links kehrt, grüßte und marschierte in Viererreihen ab. Die Ordonnanzen traten mit den Ponies und Poloschlägern aus den Reihen der Polizisten. Mrs. Lackersteen faßte einen heroischen Entschluß.
»Ich glaube«, sagte sie, »wir gehen einen Abkürzungsweg über den Maidan. Es geht so viel schneller, als wenn man auf der Straße drum herum geht.«
Der Weg war etwa fünfzig Meter kürzer, aber niemand ging ihn zu Fuß wegen der Grassamen, die sich an die Strümpfe setzten. Mrs. Lackersteen stieg kühn mitten ins Gras und ging dann, ohne die Richtung auf den Club hin auch nur vorzutäuschen, schnurstracks auf Verrall los, mit Elizabeth im Schlepptau. Beide Damen wären lieber auf der Folterbank gestorben als zuzugeben, daß sie etwas anderes beabsichtigten als eine Abkürzung. Verrall sah sie kommen, fluchte und zügelte sein Pony. Er konnte sie jetzt, da sie ganz offensichtlich auf ihn los kamen, nicht gut schneiden. Die verdammte Unverfrorenheit dieser Weiber! Er ritt ihnen langsam entgegen mit mürrischem Gesichtsausdruck, den Poloball mit kleinen Schlägen vor sich hertreibend.
»Guten Morgen, Mr. Verrall!« rief Mrs. Lackersteen mit süßlicher Stimme aus zwanzig Meter Entfernung.
»Morgen! « erwiderte er unwirsch ; er hatte ihr Gesicht gesehen und sie als eine der üblichen hageren alten Suppenhühner einer indischen Station abgetan.
Im nächsten Augenblick wurde Elizabeth neben ihrer Tante sichtbar. Sie hatte die Brille abgenommen und schwenkte ihren Terai in der Hand. Was machte ihr ein Sonnenstich schon aus? Sie wußte ganz genau, wie hübsch sie mit dem kurzgeschnittenen Haar aussah. Ein Windstoß - oh, diese sege nsreichen Luftzüge, die an diesen drückend heißen Tagen aus dem Nichts kamen! - hatte ihr Baumwollkleid gepackt und an ihren Körper geblasen und umriß ihre Figur, schlank und kräftig wie ein Baum. Ihr plötzliches Auftauchen neben der älteren, von der Sonne ausgedörrten Frau war für Verrall eine Offenbarung. Er zuckte derart zusammen, daß die Araberstute es spürte und sich auf den Hinterbeinen aufgebäumt hätte, so daß er den Zügel straffen mußte. Bis zu diesem Augenblick hatte er, ohne sich um Auskunft überhaupt zu bemühen, gar nicht gewußt, daß es in Kyauktada auch junge Frauen gab.
»Meine Nichte«, sagte Mrs. Lackersteen.
Er antwortete nicht, hatte aber den Poloschläger weggeworfen und nahm sein Topi ab. Ein Weilchen starrten er und Elizabeth einander unverw andt an. Ihre frischen Gesichter waren makellos in dem erbarmungslosen Licht. Die Grassamen kitzelten Elizabeths Schienbeine, so daß es eine Qual war, und ohne ihre Brille konnte sie Verrall und sein Pferd nur als verschwommenen weißen Fleck sehen. Aber sie war glücklich, glücklich! Ihr Herz klopfte, und das Blut stieg ihr ins Gesicht und verlieh ihm die Farbe eines zarten Aquarells. Der Gedanke »Ein Pfirsich, bei Gott!« fuhr Verrall fast heftig durch den Kopf. Die mißmutigen Inder, die die Köpfe der Ponies hielten, starrten neugierig auf die Szene, als ob die Schönheit der beiden jungen Leute sogar sie beeindruckt hätte.
Mrs. Lackersteen brach das Schweigen, das eine halbe Minute gedauert hatte.
»Wissen Sie, Mr. Verrall«, sagte sie schelmisch, »wir finden es recht unfreundlich von Ihnen, uns arme Leute die ganze Zeit so zu vernachlässigen. Wo wir uns doch so nach einem neuen Gesicht im Club sehnen.«
Er sah noch immer Elizabeth an, als er antwortete, aber sein Ton hatte sich bemerkenswert verändert.
»Ich wollte schon seit ein paar Tagen kommen. Hatte so fürchterlich viel zu tun - meine Männer in ihren Quartieren unterbringen und all das. Entschuldigen Sie«, setzte er hinzu - es war nicht seine Gewohnheit, sich zu entschuldigen, aber wirklich, hatte er entschieden, dieses Mädchen war ein ganz besonderer Bissen - , »entschuldigen Sie, daß ich Ihr Briefchen nicht beantwortet habe.«
»Oh, das macht doch nichts. Wir hatten volles Verständnis. Aber wir hoffen wirklich, daß wir Sie heute abend im Club sehen werden. Sons t, wissen Sie«, schloß sie noch schelmischer, »wenn Sie uns noch länger enttäuschen, müssen wir Sie allmählich für einen ziemlich schlimmen jungen Mann halten!«
»Entschuldigen Sie«,
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