orwell,_george_-_tage_in_burma
zu sein, und nicht nur sein Titel rettete ihn. Vor etwas in seinem Blick schreckten Gläubiger, Burra Memsahibs und sogar Offiziere zurück.
Es waren beunruhigende Augen, hellblau und ein bißchen vorstehend, aber außerordentlich klar. Sie musterten einen, wogen einen ab und befanden einen zu leicht, in einer einzigen kalten Prüfung von vielleicht fünf Sekunden. Wenn man von der richtigen Sorte war - das heißt Kavallerieoffizier und Polospieler - , wurde man akzeptiert und mit mürrischem Respekt behandelt; wenn man aber zu irgendeinem anderen Typ gehörte, wurde man so gründlich verachtet, daß Verrall es, auch wenn er gewollt hätte, nicht hätte ve rbergen können. Es machte auch nicht viel aus, ob man reich oder arm war, denn gesellschaftlich war er nur ein landläufiger Snob. Natürlich fand er wie alle Söhne reicher Familien Armut abstoßend und daß die Armen deshalb arm sind, weil sie abstoßende Gewo hnheiten vorziehen. Aber er verachtete Verweichlichung. Obwohl er für seine Garderobe märchenhafte Summen schuldig blieb, lebte er fast so asketisch wie ein Mönch. Er trainierte unaufhörlich und gnadenlos, schränkte seine Drinks und Zigaretten ein, schlief (in einem seidenen Schlafanzug) auf einem Feldbett und badete auch im kältesten Winter in kaltem Wasser. Reiten und körperliche Tüchtigkeit waren die einzigen Götter, die er kannte. Das Stampfen von Hufen auf dem Maidan, das kräftige, ausgeglichene Gefühl seines Körpers, wie ein Zentaur mit dem Sattel verwachsen, den Poloschläger federnd in der Hand - das war seine Religion, sein Lebensatem. Die Gewohnheiten der Europäer in Burma - versoffene, hurende, gelbgesichtige Faulenzer - machten ihn geradezu krank. Seine vielfachen gesellschaftlichen Verpflichtungen, die er Schoßhündeleien nannte, ignorierte er einfach. Frauen verabscheute er. Seiner Ansicht nach waren sie so etwas wie Sirenen mit dem alleinigen Ziel, Männer vom Polo wegzulocken und sie in Tee- Geque ngel und Tenniskränzchen zu verstricken. Allerdings war er gegen Frauen nicht völlig unempfindlich. Er war jung, und Frauen fast aller Arten warfen sich ihm an den Hals; hin und wieder unterlag er. Aber bald ekelte ihn vor seinen Fehltritten, und wenn es zum Äußersten kam, war er fühllos genug, um seinen Schwierigkeiten zu entkommen, was während seiner zwei Jahre in Indien vielleicht ein dutzendmal geschehen war.
Eine ganze Woche verging. Elizabeth war es nicht einmal gelungen, mit Verrall Bekanntschaft zu schließen. Es war so quälend! Jeden Tag gingen sie und ihre Tante morgens und abends zum Club, vorbei am Maidan und wieder zurück; und Verrall war da, schlug die Polobälle, welche die Sepoys für ihn warfen, und beachtete die beiden Damen überhaupt nicht. So nah und doch so fern! Was es noch schlimmer machte, war, daß keine der beiden Frauen es für anständig hielt, direkt darüber zu sprechen. Eines Abends sauste ein Poloball, zu fest geschlagen, durchs Gras und rollte vor ihnen über die Straße. Elizabeth und ihre Tante blieben unwillkürlich stehen. Aber nur ein Sepoy kam angerannt, um den Ball zu holen. Verrall hatte die Damen gesehen und hielt Distanz.
Am nächsten Morgen blieb Mrs. Lackersteen stehen, als sie aus dem Tor traten. Sie hatte neuerdings ihre Rik scha aufgegeben. Unten auf dem Maidan war die Militärpolizei aufmarschiert, eine staubfarbene Reihe mit blitzenden Bajonetten. Verrall stand ihnen gegenüber, aber nicht in Uniform - er zog sie selten zur Morgenparade an, bei der Militärpolizei hielt er dies nicht für notwendig. Die beiden Damen sahen alles an, außer Verrall, verstanden es aber zugleich, in gewisser Weise ihn anzusehen.
»Das Unglückliche ist«, sagte Mrs. Lackersteen - ohne erkennbaren Zusammenhang, aber das Thema bedurfte keiner Einführung - , »das Unglückliche ist, fürchte ich, daß dein Onkel in Kürze einfach ins Lager zurück muß.«
»Muß er wirklich?«
»Ich fürchte, ja. Es ist so gräßlich im Lager in dieser Jahreszeit! Oh, diese Moskitos!«
»Kann er nicht ein bißchen länger bleiben? Vielleicht eine Woche?«
»Ich kann mir nicht denken, wie. Er ist jetzt fast einen Monat im Quartier gewesen. Die Firma wäre wütend, wenn sie es hörte. Und natürlich werden wir beide mit ihm gehen müssen. Ach, wie lästig! Die Moskitos - einfach schrecklich!«
Allerdings schrecklich! Fortgehen müssen, bevor Elizabeth Verrall auch nur kennengelernt hatte! Aber sie würden bestimmt mit müssen, wenn Mr. Lackersteen ins Lager
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