Osama (German Edition)
Information für mich?«
Der Mann tippte sich an die Schläfe. »Hier drin«, sagte er.
Joe sah wieder zu der Uhr. Jeder wusste, das nach zwölf bereits Nachmittag war …
»Klar«, sagte Joe.
Romeo und Julias
… und irgendwo war es immer kurz nach zwölf. Mo bekam ein Bitter, Joe ein französisches Blondes. Beide nahmen sie ein Gläschen Whisky dazu, damit das Bier besser runterlief. Sie waren ein kurzes Stück die Shaftesbury Avenue hinaufgegangen, links abgebogen und saßen nun im Red Lion, einem Pub, der zwischen dem Windmill Theatre auf der einen und dem Pink Pussycat Club auf der anderen Seite eingeklemmt war. Vor der Tür des Pink Pussycat stand eine Schwarze mit blonder Perücke und rauchte eine Zigarette. Ein Bettler schob einen Einkaufswagen vorbei. Das Red Lion hatte große Fenster und billiges Bier, und Joe bezahlte. Sie tranken die erste Runde und bestellten eine weitere. Wie es schien, fiel keinem von beiden ein Argument dagegen ein. »Ich kriege einen Gin Tonic«, sagte Mo. »Nach Malawi-Art.«
»Was heißt Malawi-Art?«, fragte der Barkeeper.
»Statt einer Limonenscheibe kommt eine eingelegte Chilischote ins Glas«, erklärte Mo. »Gibt ihm einen Kick.« Der Barkeeper zuckte die Schultern. »Für mich bloß ein Bier«, sagte Joe.
Zwei Chinesen im Anzug gingen vorbei. Ein großes Plakat an der Seitenwand des Windmill Theatre versprach Nacktshows. Das Mädchen vor dem Pink Pussycat hatte seine Zigarette zu Ende geraucht, ließ den Stummel auf den Boden fallen, blieb aber stehen und hielt sich die Arme vor die Brust. Joe zündete sich eine neue Zigarette an, Mo eine frische Zigarre. Der Geruch der Hamlet besaß ein ganz eigenes Leben. Mo musste etwas in Joes Gesicht gesehen haben, denn er zuckte die Schultern und sagte: »Wenn das Geschäft gut läuft, rauche ich lieber Romeo und Julias.«
Darüber ging Joe kommentarlos hinweg.
»Ich bin so eine Art Shakespeare-Forscher«, sagte Mo. Dann lächelte er und sagte: »In Sachen Zigarren zumindest.«
Irgendetwas stimmte an dem Mann nicht ganz, fand Joe. Wie er so in dem Pub saß, den nur das durch die Fenster hereinfallende gedämpfte Sonnenlicht erhellte, hatte Mos Haut die Farbe von Tabakblättern, seine dünnen Augenbrauen die von Rauch. »Das Erste, was ich Ihnen erzählen kann, ist, dass es nicht einfach sein wird, an die Mitgliedsdaten ranzukommen«, sagte Mo. »Das Castle ist ein typischer privater Mitgliederclub. Allein im Bezirk Soho gibt es mindestens zehn davon, und sie nehmen es mit der Privatsphäre sehr, sehr genau. Das macht einen Teil ihrer Attraktivität aus. Die Kundschaft vom Castle scheint bunt gemischt zu sein – ungefähr die Hälfte sind Schauspieler, ein paar Autoren, Regisseure, solche Leute, und der Rest kommt aus der Politik – Ratsmitglieder, Abgeordnete, ein paar Minister. Die wollen nicht, dass jemand rumschnüffelt. Vor einigen Jahren gab es einen Fall, da hatte ein Kellner aus einem anderen Club einem Journalisten gegenüber aus dem Nähkästchen geplaudert – über Drogen, Orgien, Deals, die unter der Hand im Speiseraum zustande kamen, das Übliche, Sie wissen schon –, und ich habe nur zufällig davon erfahren. Die Geschichte ist nie veröffentlicht worden, der betreffende Journalist verlor seinen Job, und von dem Kellner habe ich nie wieder was gehört. Auch sonst niemand.«
»Was bedeutet das?«, fragte Joe. Mo fing an, ihn zu nerven.
»Es bedeutet, dass die Leute hier in der Gegend die Privatsphäre achten«, sagte Mo. »Und wenn sie es nicht tun, können sie dazu gebracht werden, sie zu achten. Kapiert?«
»Ja«, sagte Joe leicht gereizt. »Reden Sie nur weiter.«
»Das Castle hat drei Geschosse – einen Keller, einen ersten und einen zweiten Stock«, er zählte nach britischer Art, »und ein Erdgeschoss, das, soweit es die Mitglieder betrifft, nur einen Empfangsbereich darstellt. Dort befinden sich, außer Sicht, die Küchen et cetera. Der Mitgliedereingang ist eine unauffällige Tür in der Frith Street Nummer 22. Es gibt einen geheimen Ausgang nach hinten und außerdem einen Personaleingang zwei Türen weiter, ebenfalls in der Frith Street. Um Mitglied zu werden, muss man erst von einem bestehenden Mitglied vorgeschlagen und dann von einem Gremium zugelassen werden. Die Anzahl der Mitglieder ist begrenzt. Im ersten Stock befindet sich ein Speisesaal, in dem Gäste unterhalten werden können. Der zweite Stock bietet Schlafzimmer für Mitglieder, die über Nacht bleiben wollen. Im Untergeschoss gibt
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