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Osiris Ritual

Osiris Ritual

Titel: Osiris Ritual Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Mann
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höchstens kurz vor der Ankunft im Bahnhof entfernt
worden, sodass die Ausdünstungen immer noch in der abgestandenen Luft hingen.
    Newbury zwängte sich ganz in das kleine Abteil hinein und forschte
nach Hinweisen, warum er wohl den Mann, den er eigentlich hätte abholen sollen,
verpasst hatte. Es gab jedoch keinerlei Spuren oder Gegenstände, die ihm
weiterhalfen. Er fragte sich, ob der Agent vielleicht längst ausgestiegen war
und ihn auf dem Bahnsteig erwartete. Das hätte zwar den Anweisungen widersprochen,
aber immerhin hatte der Mann mehrere Jahre allein in Russland gearbeitet, und
man konnte kaum von ihm erwarten, dass er sich pedantisch an alle Vorschriften
hielt. Was auch der Grund war, falls Newbury den Mann tatsächlich auf dem Bahnsteig
fände, musste er hoffentlich nicht allzu viel Zeit in dessen Gesellschaft verbringen,
sofern er den Gegenstand bei sich trug, der den grässlichen Gestank
verbreitete.
    Achselzuckend und in das Taschentuch hustend trat Newbury in den
Gang hinaus und zog hinter sich die Tür zu. Er war froh, wieder etwas frische
Luft schöpfen zu können, zumal der faulige Geruch ein schmieriges, klebriges
Gefühl unter dem Gaumen zurückgelassen hatte. Spuckend kehrte er in den Vorraum
zurück, sprang auf den Bahnsteig hinunter und sah sich links und rechts nach dem
anderen Agenten um. Inzwischen war die Bahnhofshalle fast leer. Ein paar
Nachzügler liefen zum Ausgang, Gepäckträger schleppten die Koffer hinter ihnen
her zu den Droschken, die vor dem Hauptausgang warteten. Der Regen trommelte
laut auf das Dach.
    Newbury schritt hin und her, allmählich wurde er wütend. Von dem
Mann, der sich »Caspian« nannte, war weit und breit keine Spur zu entdecken.
Kein Zettel mit einer Nachricht im Abteil, kein Gepäck und keinerlei Hinweise,
was aus ihm geworden war. Ihre Majestät würde dies gewiss nicht lustig finden.
Newbury musste annehmen, dass er den Mann irgendwie verpasst hatte, nachdem
dieser womöglich beschlossen hatte, auf eigene Faust zum Palast zu fahren.
    Mit gerunzelter Stirn und einigermaßen resigniert, weil er diesen
einfachen Auftrag erfolglos abbrechen musste, verließ Newbury den Bahnsteig und
lief rasch in die Bahnhofshalle. Immer noch trieb der schneidende Wind die Regentropfen
ins Gebäude. Er verfluchte sich selbst, weil er den Regenschirm vergessen hatte.
So benutzte er die Times , um den Kopf vor dem Regen
zu schützen, trat auf die Straße hinaus und suchte eine Droschke, um zu seinem
Büro im British Museum zu fahren. Dort wollte er eine kurze Nachricht an die Königin
verfassen und ihr die eigenartigen Umstände schildern, unter denen er den
Agenten verpasst hatte, und um neue Anweisungen bitten, sofern er überhaupt
noch etwas tun konnte. Anschließend, so nahm er sich vor, würde er endlich in
Ruhe frühstücken.

3
    Â»Guten Morgen, Watkins.«
    Â»Guten Morgen, Sir.«
    Ordentlich durchnässt, nachdem ihn vor der Waterloo Station ein Regenguss
erwischt hatte, nickte Newbury dem Türsteher höflich zu, als er die breite
Treppe vor dem British Museum hinauflief. Es war ein prächtiges Gebäude aus
grauem Stein, das an klassische griechische Bauten erinnerte, verziert mit korinthischen
Säulen, schönen Friesen und grotesken Figuren über dem Eingang. An diesem
trüben Morgen kam die wundervolle Architektur jedoch nicht zur Geltung. Missbilligend
nahm Newbury zur Kenntnis, dass der Himmel genauso grau war wie das Gebäude. Es
würde bald wieder regnen.
    Watkins hielt ihm die Tür auf, und Newbury trat lächelnd ein.
    Im Moment drängten sich noch keine Besucher um die
Ausstellungsstücke, deshalb kam ihm das Gebäude öde und verlassen vor, als er
den Vorraum durchquerte. Seine Schritte hallten laut auf dem polierten
Marmorboden. Die Times hatte er auf dem Rücksitz der
Droschke liegen lassen, an den Fingern klebte noch etwas Druckerschwärze,
nachdem er die Zeitung als Schutz vor dem Regen benutzt hatte. Er musste sich
waschen und abtrocknen, ehe er die Nachricht an die Königin verfasste.
Gelegentlich hustete und würgte er immer noch von dem grässlichen Geruch, der
sich nach dem absonderlichen Erlebnis im Zug anscheinend dauerhaft in der Nase
und der Kehle eingerichtet hatte. Eine große Tasse Earl Grey würde hoffentlich
den widerlichen Geschmack vertreiben.
    Newbury ging zu der den Mitarbeitern vorbehaltenen Treppe, die

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