Ostfriesengrab
Gegenüber darauf aufmerksam machen müssen, doch darüber setzte er sich hinweg.
Die Telefonnummer erschien nicht in seinem Display, sein Gesprächspartner hatte sie unterdrückt.
»Meuling verhält sich nach einem klaren Muster.«
Am liebsten hätte Weller gesagt: Da wissen Sie aber mehr als wir. Aber er verkniff sich die Bemerkung.
»Er macht sich immer wieder an einsame Frauen heran. Bevorzugt an junge Witwen oder Damen, die eine schwere Enttäuschung hinter sich haben, mitten in der Scheidung stecken oder so. Er tröstet und beschützt sie. Berät sie, wie sie ihre Extypen fertigmachen können und … «
Weller spürte glühende Kohlen in seinem Darm und in der Magengegend. War seine Renate auch auf so einen hereingefallen? Wie viele von dieser Sorte liefen herum? Die Frauentröster, die sich großartig vom Exmann abgrenzten. Sie waren die Größten, der Ex der Böse, und sie wollten doch nur an seine Kohle.
»Er hat dazu immer wieder Urlaubsgebiete aufgesucht. Günstige Gelegenheit, um solche Frauen kennenzulernen. Nach einer Enttäuschung fährt man gern erst mal ans Meer. Die ostfriesischen Inseln waren genauso sein Jagdrevier wie Katwijk, Nordwijk, Groningen. Lange Anfahrtswege hat er immer gescheut. Man muss nicht in die Karibik fliegen, um einsame Frauen kennenzulernen. Außerdem hätte er sich dort mit all den schönen schwarzen muskulösen Gigolos in Konkurrenz setzen müssen, die in Ostfriesland ja doch eher spärlich gestreut sind.«
Weller versuchte, das Gespräch wieder in konkretere Bahnen zu lenken, musste allerdings zugeben, dass er Neues über Meuling erfuhr. Es passte alles ins Bild. Aber bisher hatten sie davon keine Ahnung gehabt.
»Und wo hält er sich jetzt auf?«
»Können wir erst das mit der Belohnung klären? Wenn Sie den Typen nämlich verhaften und ich meiner Klientin das Geld nicht zurückbringen kann, gehe ich leer aus. Ich bekomme nur einen bescheidenen Tagessatz und ansonsten lebe ich von Erfolgshonoraren.«
»Sie wissen, dass Sie Ihre Lizenz leicht verlieren können, oder?«
»Wollen Sie mich verarschen, Herr Weller? Nichts ist heutzutage leichter als Privatdetektiv zu werden. Man geht zum Ordnungsamt und beantragt einen Gewerbeschein. Sobald man die 20 Euro bezahlt hat, ist man Privatdetektiv. Das ist kein geschützter Beruf, das wissen Sie doch genauso gut wie ich. Sie können mir gar keine Lizenz entziehen, ich habe nämlich keine. Das ist ein Gag aus amerikanischen Filmen. Drohen Sie mir nicht, Herr Kommissar. Ich weiß, wo Meuling ist. Und ich möchte diese Information so teuer wie möglich verkaufen.«
»Ich verspreche Ihnen, dass ich mich für Sie einsetzen werde. Wenn wir Meuling wirklich kriegen, dann … «
»Ich lass mich nicht verarschen, Herr Kommissar.«
Weller bluffte: »Wir haben dieses Gespräch längst zurückverfolgt. Sämtliche Anrufer werden von uns registriert und … «
»Sie versuchen immer noch, mich unter Druck zu setzen.«
»Herrjeh, was wollen Sie? Wir haben hier alle ein paar grässliche Tage hinter uns. Kaum einer von uns hat in den letzten Tagen mehr als drei Stunden pro Nacht geschlafen. Die Nerven liegen bei allen blank. Wenn Sie uns helfen können, dann tun Sie es bitte rasch. Wir glauben nämlich, dass er sich bereits sein nächstes Opfer ausgeguckt hat.«
»Ja, da liegen Sie gar nicht so falsch. Ich kann sie von hier aus sehen. Sie trinkt einen Milchkaffee mit ihm. Es ist schon der dritte. Sie hat lange blonde Haare, Kleidergröße 38 , höchstens 40 , ist Ende dreißig, macht aber auf Anfang dreißig, was man ihr mühelos durchgehen lassen kann. Sie ist klug und gebildet. Ihr Typ hat sie nach drei Jahren Ehe sitzen lassen. Die dusselige Kuh hatte keinen Ehevertrag. Ihr Papa hat ihnen zur Hochzeit ein Ferienhaus in Groningen geschenkt und eine Eigentumswohnung in Düsseldorf. Ihr Typ hat die Konten geräumt und eine Menge Kohle für seine kaffeebraune Freundin aus Mosambik
ausgegeben. Bei der Scheidung dürfte es über den Daumen gepeilt um siebenhunderttausend Euro gehen. Plusminus zehn Prozent.«
»Woher wissen Sie das alles?«
»Erwähnte ich schon, dass ich Privatdetektiv bin?«
Weller ermahnte sich zur Geduld. Er will kooperieren, dachte Weller. Hätte er sonst Groningen und Düsseldorf erwähnt? Oder waren das nur besonders geschickte Versuche, ihn irrezuleiten, und die Ferienwohnung lag ganz woanders?
»Sie haben jetzt eine hohe Verantwortung. Wenn Sie ihn und das nächste Opfer sehen können, tun Sie bitte nichts.
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