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Ostfriesengrab

Ostfriesengrab

Titel: Ostfriesengrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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plötzlich gebremst, stellte seine Scheißkiste quer und hat versucht, sie vom Rad zu werfen und hinten in seinen Bus zu zerren. Da ist er aber an die Falsche geraten. Sie hat ihm eine Ladung Pfefferspray verpasst.«
    Markus Sassen griff in seine Lederjacke und zog eine Spraydose hervor. »Ich hab ihr so eine gekauft. Sie ist nicht mehr ohne aus dem Haus gegangen. Und schon gar nicht zur Tür, wenn es klingelte.«
    »Und dann? Hat sie die Polizei gerufen? Wissen Sie das Kennzeichen des Fahrzeugs?«
    Er schüttelte den Kopf. »Nein. Sie hat die Panik gekriegt und ist abgehauen. Zu Fuß. Später bin ich dann mit ihr zu der Stelle zurückgefahren und da haben wir das Rad geholt.«
    »Und daraufhin haben Sie sich entschieden, nach Duisburg zu fahren und Meuling zu besuchen?«
    »Erst mal haben wir sie zu ihrer Freundin gebracht, damit sie in Sicherheit war. Der Täter muss sie ja beobachtet haben. Er wusste schließlich, dass sie vom Jazztanz kam und wo sie langfuhr. Sie war auf dem Heimweg. Keine fünfhundert Meter von zu Hause entfernt. Dann haben wir versucht, mit Meuling zu reden. Telefonisch war er nie zu erreichen, da springt immer nur ein Anrufbeantworter an. Ich habe ihm auf Band gesprochen und auch einen Brief geschrieben. Was soll der Scheiß, habe ich
geschrieben. Warum lassen Sie sie nicht in Ruhe? Wir haben inzwischen immerhin bezahlt.«
    »Das ist in der Tat merkwürdig«, sagte Weller. »Der gute Mann hatte doch bekommen, was er wollte. Warum versuchte er dann, sie zu entführen? Was sollte das?«
    Ann Kathrin warf Weller einen zornigen Blick zu. Sie mochte es nicht, wenn er Zeugen ins Wort fiel. Alles, was sie wissen wollten, würde Markus Sassen ihnen sowieso erzählen. Sie mussten ihn nur reden lassen. Sein Mitteilungsbedürfnis war so groß, sie wollte nicht, dass Weller es durch Fragen unterbrach und ihn aus dem Konzept brachte.
    Weller kapierte sofort. Er machte immer wieder den gleichen Fehler.
    Reden lassen. Wie oft hatte Ann Kathrin ihm das eingetrichtert. »Lass sie reden. Zeugen, Täter, Opfer. Sie alle wollen reden. Und wenn sie noch so viel lügen. Hinter all dem verbirgt sich die Wahrheit. Und wenn man genau aufpasst, kann man sie heraushören.«
    Sassen tippte sich gegen die Stirn. Weller protestierte nicht dagegen, dass er ihm doof zeigte. Auch das gehörte zum Spiel. Der Zeuge musste seinen Emotionen freien Lauf lassen dürfen.
    »Ich kann Ihnen sagen, warum!«, brüllte er. »Weil wir ihn angezeigt haben! Er hatte natürlich Schiss vor der Staatsanwaltschaft!« Jetzt lachte Markus Sassen bitter. »Dabei haben die in Aurich doch bloß Beamten-Mikado gespielt.«
    »Wie geht das denn?«, fragte Weller und ärgerte sich gleich darüber, ihn schon wieder unterbrochen zu haben.
    »Na, wer sich als Erster bewegt, hat verloren«, spottete der junge Mann. »Aber es ging garantiert um die Anzeige. Wir sollten sie zurückziehen.«
    Jetzt öffnete Markus Sassen die Hände. Wie zum Beweis seiner Unschuld zeigte er sie vor. Dann hob er die Hände zur Decke, als wolle er die Götter um Verzeihung anflehen. »Sie
wollte die Anzeige ja zurückziehen. Sie wollte nur noch, dass alles vorbei wäre. Aber mein Schwiegervater und ich, wir wollten uns das nicht so einfach gefallen lassen. Wir haben gedacht, das kann doch nicht sein. Wo leben wir denn? Wir fühlten uns echt scheiße behandelt. Wir wollten uns nicht einfach zu Opfern machen lassen. Hätten wir doch nur auf sie gehört und die Anzeige zurückgezogen … «
    »Sie glauben, dann würde Ihre Freundin jetzt noch leben«, stellte Ann Kathrin fest.
    Markus Sassen nickte. Dann begann er zu weinen.
    »Ich wollte doch auch nur noch, dass es aufhört, damit wir wieder ein normales Leben führen können. Früher war alles so klasse. Wir hatten Spaß miteinander, und jetzt ging es nur noch um diesen Mist. Mareike konnte nicht mehr schlafen, nahm Tabletten, wurde fahrig. An Sex war überhaupt nicht mehr zu denken. Es ging nur noch um Meuling und Sidorov. Gibt es den einen? Was wird der andere tun? Was verlangt er von uns? Was haben wir falsch gemacht? Warum tut die Polizei nichts? Wir haben sogar gedacht, dass ihr alle mit denen unter einer Decke steckt. Aber das gibt doch gar keinen Sinn. Und dann bin ich nach Duisburg gefahren, um mit ihm zu reden. Aber er war nicht da. Oder er hat mir nicht aufgemacht. Ich hoffe«, sagte Markus Sassen und in seinem großen Mund zog der Speichel Fäden, »ich hoffe, er kriegt lebenslänglich.«
     
    Als Weller und Ann Kathrin

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