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Ostfriesengrab

Ostfriesengrab

Titel: Ostfriesengrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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Jahren zu Besuch waren. Seit wann wohnen Sie überhaupt hier?«
    »Wir sind erst 92 hierher gezogen.«
    »Und wo waren Sie vorher?«
    »In Karlsruhe.«
    »Und was haben Sie dort gemacht?«
    »Herrgott, unterrichtet!«
    »Wo waren die Bilder damals?«
    Er öffnete die Arme und reckte sie in die Höhe. »In meinem Atelier, wo denn sonst?«
    »Und Sie hatten damals schon Studenten?«
    »Ja, natürlich.«
    »Haben die Sie in Ihrem Atelier besucht?«
    »Ja. Manchmal. Warum auch nicht?«
    »Wie viele von denen können die Bilder gesehen haben?«
    »Herrgott, ich weiß es nicht! Ich hatte eine Meisterklasse und … «
    »Ich brauche alle Namen.«
    Es ging ein Ruck durch den Professor, so als würde er plötzlich den Ernst der Lage begreifen. »Ja«, sagte er und nickte eifrig. »Selbstverständlich. Ich habe die Namen nicht, aber das alles ist rekonstruierbar. Schließlich waren die Studenten bei mir eingeschrieben. Es gibt ein Zulassungsverfahren und … «
    All diese Details interessierten Ann Kathrin nicht, sondern nur eins, und das wiederholte sie scharf: »Die Namen, Herr Professor. Ich brauche die Namen.«
    Der Professor telefonierte selbst mit dem Sekretariat in
Münster und machte die Dringlichkeit deutlich. Ann Kathrin rief übers Handy in Karlsruhe an.
    Siebzig Minuten später kamen in Aurich auf dem Fax ihrer Dienststelle endlose Listen an. Es waren Hunderte Namen, und Scherer tobte, denn er befürchtete, sie könnten sich bei der Überprüfung nicht nur völlig verzetteln, sondern auch noch lächerlich machen. Er warnte vor blindem Aktionismus.
    Weller glich die Liste mit den Namen aller bisher verdächtigen Personen ab. Die Namen Meuling, Peschke, Omonsky oder Zimmermann fanden sich weder in Karlsruhe noch in Münster auf den Studentenlisten.
    »Sie hören die Flöhe husten, Frau Klaasen«, diagnostizierte Scherer. »Wir brauchen harte Fakten.«
    »Man muss nehmen, was man kriegen kann«, konterte Ann Kathrin, »und irgendetwas hat den Täter auf die Idee gebracht … «
    Scherer lachte höhnisch. »Ja. Da waren wir doch schon mal, Frau Klaasen. Schon vergessen? Das war ein Grund, Herrn Meuling festzunehmen, weil er ein Ostfrieslandmagazin besaß, mit einem Bild drin, das ihn angeblich inspiriert hatte.«
    »Das ist gemein, Herr Scherer. Sie wissen genau, dass das nicht der einzige Verhaftungsgrund war, sondern nur ein Mosaikstückchen … «
    »Jaja. Jedenfalls ist Meuling jetzt tot. Vielleicht sollten wir keine Vorlagen suchen, sondern den Täter. Es ist mir egal, was ihn auf die Idee gebracht hat. Ich will ihn haben.«
    »Glauben Sie mir, ich auch.«
    Inzwischen hatte Frau Diebold zu Protokoll gegeben, dass ihr Mann manchmal große Partys gab, mit bis zu hundert Leuten. Künstler, Galeristen, Kollegen von der Uni, seine Meisterschüler waren natürlich auch immer dabei.
    »Wir hatten kaum eine Kontrolle darüber«, sagte sie. »Wir verschickten Einladungen, aber dann kommt jemand, der bringt
noch jemanden mit und – ach, Sie wissen doch, wie das ist. Meist fand alles, wenn wir Glück hatten, bei schönem Wetter im Garten statt. Christina hat Drinks gemixt, mein Mann Fleisch gegrillt. Er liebt solche archaischen Sachen. Ein paar Studenten haben immer mitgeholfen, und wenn es spät wurde, zog sich natürlich der Rest der Gesellschaft ins Haus zurück.«
    Bei einer dieser Gelegenheiten, so folgerte Ann Kathrin, könnte der Täter beim Betrachten der Bilder auf die Idee gekommen sein. Der Gedanke ließ sie nicht los.
     
    Er kochte vor Wut. Was war dieser Professor doch für eine abgezockte Sau! Er nutzte den Tod seiner Tochter schamlos für sich aus.
    In der FAZ wurde er als einer der bedeutendsten deutschen Künstler bezeichnet und in eine Reihe mit Baselitz und Immendorf gestellt. Im RTL -Starmagazin zu einem der bedeutendsten Maler des Jahrhunderts gemacht, der mit seinen Visionen den schlimmen Tod seiner Tochter vorausgeahnt hatte. Auf Pro 7 wurden seine Studenten interviewt und Bilder einer Ausstellung gezeigt.
    Nervös zupfte er den Tabak aus seinem Beutel. Am schlimmsten war es für ihn zu sehen, wie viele Mikrophone sich Professor Diebold entgegenreckten. Die Pressekonferenz glich einer reinen Imagekampagne. Im Hintergrund ein großes, unvollendetes Werk von ihm, auf dem Blut vom Himmel tropfte.
    Mit brüchiger Stimme, aber gefasst, beantwortete er die Fragen der Reporter. Geschickt betonte er das äußerst gute Verhältnis, das er zu seiner Tochter gehabt hatte. Komischerweise erwähnte er seine Frau

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