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Ostfriesengrab

Ostfriesengrab

Titel: Ostfriesengrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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mit der es angestrahlt wurde. Eine andere Beleuchtung gab es im Flur nicht.
    Als er vor ihr herging, roch er nach Terpentin und Ölfarben. Das erinnerte Ann Kathrin an Heiner Zimmermann. Sie beschloss, das Ölbild für Weller noch rechtzeitig vor seinem Geburtstag fertigstellen zu lassen. Hoffentlich macht mir der Mörder keinen Strich durch die Rechnung, dachte sie.
    Oben angekommen, befanden sie sich in einer Art Galerie.
Auch hier große Bilder von Professor Diebold. Es waren Gesichter, die bei näherer Betrachtung aus einem anderen Blickwinkel weibliche Formen darstellten. Auch in Landschaftsbildern verborgen, jedes Mal einzelne Frauenakte.
    So will er die Menschen dazu bringen, genau hinzuschauen, dachte sie. Er verblüfft sie. Was im ersten Moment aussieht wie ein Berg mit ein paar Bäumen und einem Wasserfall, entpuppt sich im nächsten Moment als ein Gewühl menschlicher Körper. Die Baumkrone da wirkte, wenn man leicht in die Hocke ging, wie eine Massenorgie. Gleichzeitig wurde Ann Kathrin klar, dass er nur einzelne Andeutungen von Körperteilen gemalt hatte. Es war ihre eigene Phantasie, die alles so zusammensetzte. Er spielte mit der Phantasie des Betrachters, ließ ihn das Bild vervollständigen.
    Als sie jetzt von der Galerie aus in den Flur hinuntersah, war ihr Blick geschärft für die Bilder. Sie kniff die Schenkel zusammen, weil sie für den Bruchteil einer Sekunde fürchtete, unwillkürlich Wasser lassen zu müssen. Jedes Ölgemälde zeigte eine Müllhalde und auf jeder Müllhalde verborgen einzelne Körperteile. Hier gespreizte Beine, dort ein erigierter Penis, das da konnte eine weggeworfene dickbauchige Flasche sein, die auf einer zusammengeknüllten Einkaufstüte lag, aber je nach Betrachtungsweise wurde daraus auch ein Geschlechtsakt.
    Weller fragte den Professor, wann er seine Tochter das letzte Mal gesehen hatte, wollte Namen und Adressen ihrer Freunde wissen. Das alles war normale Polizeiroutine. Ann Kathrin hatte dabei nicht mal zugehört. Jetzt griff sie ins Gespräch ein.
    »Sind alle Ihre Bilder so?«, fragte sie und zeigte auf die Werke im Flur.
    Er schüttelte den Kopf. »Keineswegs. Mein Variationsreichtum ist viel größer.«
    »Waren die mal auf einer Ausstellung?«
    »Nein. Warum fragen Sie? Kommen sie Ihnen bekannt vor?«
    Ann Kathrin schüttelte den Kopf. »Nein. Ich habe so etwas noch nie gesehen. Ist das so eine Art moderner Landschaftsmalerei? Müllkippen als Symbol für … «
    Er unterbrach sie. »Sie sind doch nicht wirklich gekommen, um mit mir über meine Bilder zu diskutieren?!«
    Ann Kathrin räusperte sich und zupfte ihre Ärmel zurecht. »Ihre Tochter – tut mir leid, dass ich das jetzt so krass sagen muss – wurde in einer Mülltonne gefunden. Genauer gesagt, in einer blauen Papiermülltonne. Und Sie malen Müllhalden, auf denen bei genauem Hinsehen menschliche Körperteile versteckt sind.«
    Weller blickte wie irre. Er hatte den Bildern kaum Beachtung geschenkt. Natürlich hatte er die Müllhalden gesehen und gedacht, so etwas würde ich mir nie ins Wohnzimmer hängen. Aber er hatte den Zusammenhang nicht erkannt.
    »Wenn diese Bilder noch nie irgendwo ausgestellt wurden, dann bedeutet das … «
    » … der Mörder muss schon mal in Ihrem Haus gewesen sein«, vervollständigte Weller Ann Kathrins Satz. Gleichzeitig kamen ihm aber Zweifel. Vielleicht war das alles nur ein Zufall. Er versuchte, sich an die Wohnungen der anderen Angehörigen zu erinnern. Gab es dort auch irgendwelche verdächtigen Bilder oder Hinweise?
    Zum ersten Mal zeigte der Professor eine wirkliche Gefühlsregung. Er musste sich sogar mit einer Hand am Treppengeländer festhalten. Für einen Moment schwankte er und war kreidebleich. Dann winkte er ab. »Die Bilder sind alt. Ich mache so etwas heute nicht mehr. Sie hängen hier nur, weil … Na ja, sie sind ein Teil meiner Persönlichkeit, meiner Entwicklung. Das habe ich in meinen Studentenjahren gemalt.«
    »Gibt es davon Fotos, die irgendwo publiziert wurden?«
    Professor Diebold schüttelte den Kopf.
    Ann Kathrin lief die Treppe hinunter und sah sich die Signatur
auf jedem Bild an. Es stand jeweils auch das Jahr dahinter. Alle sechs Bilder waren zwischen 1980 und 1981 entstanden.
    »Und Sie sind sicher, dass die Bilder niemals öffentlich ausgestellt wurden? Wie kann der Täter sie kennengelernt haben? Haben Sie viel Besuch?«
    »Wir können doch jetzt schlecht feststellen, Ann, wie viele Leute hier in den letzten fünfundzwanzig, dreißig

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