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Ostfriesengrab

Ostfriesengrab

Titel: Ostfriesengrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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überhaupt nicht. Vielleicht war sie mit dem ganzen Spektakel ja nicht einverstanden und machte ihm zu Hause die Hölle deswegen heiß.
    Einmal wischte er sich eine Träne ab, wirkte aber auch dabei betont männlich.
    »Ich bin selbst Vater von zwei Kindern und frage mich: Wie wird ein Mensch mit so etwas fertig?«, wollte ein rothaariger Journalist wissen.
    Der Professor sah hoch und kniff die Augen kurz zusammen, als ob er von den Scheinwerfern geblendet werden würde und das Gesicht des Fragestellers nur schwer ausfindig machen könnte. In Wirklichkeit, da war er sich ganz sicher, war das ein abgekartetes Spiel. Diese Frage war vorbereitet und mit dem Professor abgesprochen, denn jetzt konnte er endlich auf das zu sprechen kommen, was ihm viel wichtiger war als seine Tochter: nämlich er selbst.
    Alle schlimmen Ereignisse in seinem Leben habe er nur auf eine einzige Art bewältigt. Daraus seien dann Bilder entstanden. Jede Lebenskrise habe er in neue künstlerische Energie umgewandelt, und so seien aus den schlimmsten Erlebnissen die besten, ausdrucksstärksten Werke erwachsen.
    Fahrig drehte er an seiner Zigarette. Er hätte Professor Diebold am liebsten angespuckt. Gleichzeitig bewunderte er ihn dafür, wie professionell er das hinkriegte.
    »Ihr seid doch alle gleich«, lachte er böse. Auch Immendorf hatte jeden Skandal für sich zu nutzen gewusst. War er nicht durch Drogen und Sexskandale bekannter geworden als durch seine Bilder? Welcher Maler kommt schon auf die Titelseite der BILD -Zeitung? Selbst seine schwere Krankheit hatte ihm publizistisch genutzt. Schlimmer kann es einen Maler nicht treffen, als blind zu werden oder den Pinsel nicht mehr mit der Hand führen zu können. Aber selbst daraus hatte Immendorf seiner Meinung nach noch etwas gemacht. Seine Studenten malten seine Bilder nach seinen Vorgaben, und die Boulevardmagazine berichteten groß darüber.
    Die Zigarette war ihm misslungen. Er hatte den Tabak zu fest zusammengepresst. Er musste kräftig ziehen, um die Glut zu entfachen. Dann schoss der Qualm zu heftig in seine Lungen. Es
tat fast weh. Trotzdem hustete er nicht, sondern atmete nur mit weit aufgerissenem Mund aus. Er kam sich vor wie ein Feuer spuckender Drache.
    All die kleinen Kasperlenummern, die ihr hier fürs Publikum abzieht, werden verblassen gegen mich, dachte er. Meine Taten stellen euch alle in den Schatten, weisen euch zurück auf die hintersten Plätze. Was sind ein bisschen Koks und ein paar Nutten gegen das, was ich getan habe? Deine tote Tochter wird nur noch eine Rolle spielen, weil ich sie umgebracht habe, Professorchen.
    Er spürte, wie sehr ihn die Morde aus der alten Stimmung der letzten Jahre herausbrachten. Ja, die Morde waren der Weg, sich endlich nicht mehr minderwertig zu fühlen, sondern überlegen. Endlich ganz Schöpfer werden, dachte er.
    Aber er brauchte noch eine Frau für die Flammen. Leider hatte Christina Diebold keine Zwillingsschwester. Aber um den Zyklus zu beenden, musste nun das Feuer her. Die Mülltonne war nicht mehr als ein Ausrutscher. Doch die geschickte Vermarktungsnummer von Professor Diebold machte diesen Mord größer als die vorherigen.
    Er hatte Christina Diebold nicht gemalt. Sie passte nicht ins Konzept, deswegen hatte er ihr Blut gleich mit entsorgt.
    Ihr kriegt mich nie, ihr blöden Stümper, dachte er. Ich könnte die Serie fortsetzen, wenn die vier Elemente komplett sind. Wie wäre es mit den Direktoren der bedeutendsten Museen Deutschlands?
    Der Gedanke gefiel ihm. Er lächelte. Wie viele missverstandene, übersehene Künstler würden das verstehen und ihm dankbar sein, weil endlich jemand ein Fanal setzte?
    Wenn diese Gestalten nur nicht so hässlich wären … Fürs Feuer brauchte er jedenfalls noch eine schöne Frau. Er blätterte in der Fernsehzeitung und hatte sich schon fast für eine Schauspielerin entschieden, als er dann eine warnende Stimme in sich
hörte. O nein. Bloß nicht so eine. Danach laufen die Wiederholungen ihrer Filme pausenlos im Fernsehen und sie wird mehr Ruhm ernten als ich. Das könnte noch schlimmer werden als bei dem Professor. Es muss eine unbekannte Schönheit sein. Eine, die keinen Agenten hat, der versucht, die Sache auszuschlachten.
    In der Zeitung fand er Kontaktanzeigen, in denen Frauen angeblich ohne finanzielle Interessen nach Sexpartnern suchten. Nein, eine Hure durfte es auf keinen Fall sein. Sie musste rein sein. Sauber. Reif für seine Kunst.
    Er lachte laut. »Suche Opfer ohne finanzielle

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