Ostfriesengrab
gönnerhaft: »Was meinen Sie, wie viel Einsparkapital heutzutage in einem ganz normalen Familienhaushalt verborgen ist? Bei Ihnen zum Beispiel – wetten, wenn ich einen Finanzcheck mit Ihnen mache, sparen Sie am Ende gut hundert Euro im Monat. Das sind tausendzweihundert im Jahr. Ich habe schon ganze Familien vor dem Bankrott gerettet, indem ich die einzelnen Ausgabenposten mit ihnen durchgegangen bin.« Er zählte an seinen Fingern auf: »Versicherungen. Kredite. Stromrechnungen. Wasser. Der ganze Nebenkostenquatsch. Handyverträge.« Er lachte. »Was meinen Sie, welch ein Geldgrab Handyverträge sind! Wo sind Sie zum Beispiel krankenversichert?«
»Bei der AOK «, sagte Weller, und Ann Kathrin hätte ihn dafür ohrfeigen können. Sie warf ihm einen zornigen Blick zu.
Meuling schlug die Hände überm Kopf zusammen und lachte. »Bei der AOK ! Mein Gott, müssen Sie ein reicher Mann sein! Wenn Sie Ihrem Geld so böse sind, dass Sie es einfach wegwerfen wollen, dann spenden Sie es doch lieber. Oder versaufen Sie es. Ein Vertrag im Fitnessstudio könnte Ihnen auch guttun, da muss man aber genau aufpassen.« Meuling hob den Zeigefinger. »Es gibt da solche und solche!«
»Kommen Sie mal wieder runter!«, zischte Ann Kathrin Klaasen. »Dies hier ist kein Verkaufsgespräch. Wir sind nicht an Ihrer Finanzoptimierung interessiert. Dafür aber an Ihrem flüchtigen Bekannten Sidorov. In der Markgrafenstraße dreizehn in Berlin wohnt er jedenfalls nicht.«
Meuling zuckte mit den Schultern und verzog den Mund. »Keine Ahnung. Ich kenne ihn nur … so vom Sehen … aus der Kneipe halt.«
»Welcher Kneipe?«
»In Berlin hab ich ihn getroffen, am Ku’damm. Im Big Eden war ich abrocken, da hab ich mir so ’ne scharfe Russin aufgerissen. Die war vielleicht … Na ja, jedenfalls haben wir uns da getroffen. Ich hab mich natürlich mehr für meine neue Eroberung interessiert als für Sidorov.«
»Aber Sie haben ihm einen Auftrag gegeben und Ihre Kontonummer, sonst hätte er doch gar nicht so einen Brief an Mareike Henning schreiben können.«
»Kann sein. Ich weiß nicht. Ich hatte ein paar Whisky-Cola und dann bin ich mit dieser russischen Schnecke abgezogen. Fragen Sie mich bloß nicht, wie die heißt.«
Ann Kathrin räusperte sich, dann fuhr sie Meuling an: »Ich will Ihnen mal was sagen. Wissen Sie, was ich glaube? Ich glaube, es gibt überhaupt keinen Sidorov. Sie haben den Brief selber geschrieben, um Frau Henning Angst zu machen.«
»Wo«, fragte Weller hart, »sind Sie in der Nacht von Donnerstag auf Freitag gewesen?«
Meuling wandte rasch den Kopf zu Weller und antwortete spontan: »Hier. Mit meinen Kumpels. Die ganze Nacht.«
Weller schoss genauso schnell zurück: »Draußen an der Tür steht:
Geöffnet bis 22 Uhr
. Wo waren Sie danach?«
»Hier. Wir sind Stammgäste. Ich hab sogar die betriebswirtschaftliche Beratung bei der Gründung von dem Spielsalon hier übernommen. Wir waren bis fast zwei Uhr morgens hier und
haben Billard gespielt. Ein Turnier. Raten Sie mal, wer gewonnen hat.«
»Das interessiert uns nicht«, fauchte Ann Kathrin.
Weller wollte jetzt auftrumpfen, um seine Schlappe mit der AOK wieder wettzumachen. Er warf sich mächtig ins Zeug und brachte sein Gesicht ganz nah an das von Meuling, um ihm zu zeigen, dass er sich körperlich keineswegs unterlegen fühlte. Doch plötzlich war Wellers Stimme belegt und seine Worte kamen mit einem Krächzen: »Wenn ich vorhätte, einen Mord zu begehen, wäre das Erste, was ich mir besorge, nicht etwa eine Waffe, sondern ein Alibi. Man braucht ein paar Trümpfe, wenn man so ein riskantes Blatt spielen will.«
»Ich habe aber niemanden umgebracht.«
Ann Kathrin räusperte sich. Sie sah nach unten und kratzte mit dem Fuß über eine Stelle an dem Teppich, an der Kaugummi klebte. »Wenn Sie so unschuldig sind, macht es Ihnen doch sicherlich nichts aus, uns kurz in Ihre Wohnung zu begleiten.«
»Was wollen Sie da?«
Weller lief es heiß den Rücken herunter. Sie hatten keinen Hausdurchsuchungsbefehl.
Ann Kathrin machte es so harmlos wie möglich: »Wir würden uns gerne einmal umschauen, mit Ihrer Erlaubnis, versteht sich.«
»Sie haben also keinen Hausdurchsuchungsbefehl?«
Na bitte, dachte Weller.
»Nein. Aber es dauert nur ein paar Minuten, dann habe ich einen. Wenn Sie mich zwingen, solche Maßnahmen zu ergreifen, dann drängt sich für mich die Frage auf, was Sie zu verbergen haben. Ich glaube, ich nehme Sie dann doch besser mit und Sie warten 48
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