Ostfriesengrab
schmeckte ihr erstaunlich gut, im Grunde besser als der zu Hause.
Weller versuchte sie aufzuheitern und scherzte: »Na, magst du den Kaffee aus Togo? Ich steh ja mehr auf brasilianische Mischungen und Kaffee aus Nicaragua.«
Ann Kathrin verstand den Witz gar nicht. »Wie – Kaffee aus Togo? Schmeckt der denn anders?«
Dann erkannte sie den Wortwitz.
Coffee to go
stand auf den Pappbechern.
Der Intercity um acht Uhr acht fiel wegen Lokschaden aus. Der nächste Richtung Duisburg fuhr zwei Stunden später, aber sie hatten Glück. Um acht Uhr achtundvierzig fuhr ein Regionalexpress nach Leer. Dort konnten sie umsteigen nach Münster, von Münster nach Dortmund und von Dortmund dann nach Duisburg. Was eine bequeme Fahrt ohne Umsteigen von dreieinhalb Stunden hätte werden sollen, wurde zu einem Zughopping mit viereinhalb Stunden Fahrtzeit. Ann Kathrin ertrug es mit stoischer Gelassenheit und nutzte die Zeit, um per Handy bei Rupert nachzufragen, ob bereits Laborergebnisse vorlägen.
»Ich will alles über diese Stangen wissen, mit denen er sie aufgespießt hat. Wo werden die Dinger hergestellt? Wie und wo werden sie vertrieben? Eine Liste der Geschäfte. Ich hab solche Stangen noch nie gesehen. Und dann brauche ich eine Liste aller Besucher, die in letzter Zeit im Park waren.«
Weller verschluckte sich am Kaffee, als er hörte, was sie da von Rupert verlangte.
»Um Himmels willen, Ann Kathrin, wie soll ich denn an so eine Liste kommen? Niemand gibt seine Adresse ab und unterschreibt, wenn er den Schlossgarten besucht.«
»Der Mörder war vor der Tat da. Das steht fest. Und zwar während der Blütezeit der Rhododendren. Mindestens einmal, ich vermute aber, sogar mehrfach. Vielleicht ist er fotografiert worden. Unsere Chancen stehen gar nicht schlecht. Alle Menschen, die den Park um diese Jahreszeit besuchen, machen Fotos, weil die meisten von ihnen so etwas Schönes noch nie gesehen haben. Vielleicht ist unser Mörder irgendwo zufällig mit drauf. Ruf Holger Bloem vom Ostfriesischen Kurier an. Frag ihn, ob er einen Aufruf für uns machen kann. Urlauber, die den Park besucht haben, sollen uns ihre Fotos schicken.«
Das ist heiß, dachte Weller. Ganz heiß. Auf irgendeinem der Urlaubsfotos könnte tatsächlich ein Porträt des Mörders sein. Aber wie sollen wir wissen, dass er es ist?
»Warum sollen wir es nicht gleich über DPA machen?«, fragte Rupert und wand ein, dass dies außerdem die Aufgabe der Pressesprecherin Rieke Gersema sei. Rupert machte keinen Hehl daraus, dass er Presseleute nicht mochte und mit denen auch nicht gut klarkam.
Weller sah Ann Kathrin an und er glaubte genau zu wissen, was in ihr vorging. Natürlich war es logisch, das Ganze über Rieke Gersema zu machen und direkt an die ganz große Glocke zu hängen. Aber Ann Kathrin suchte nicht den großen Rahmen, sondern den kleinen Kreis. Im Grunde hatte ihre Art, ihre Arbeit zu tun, immer etwas Verschwörerisches an sich. Am liebsten arbeitete sie mit einigen wenigen Vertrauten. Er hatte das Glück dazuzugehören, aber auch ihm erzählte sie längst nicht alles und zeigte ihm nicht jede ihrer Seiten.
Wieder lief ihm ein Schauer über den Rücken, als er an die Nacht dachte. Er sah sie wieder nackt im Gras liegen, die Körperhaltung der Leiche nachahmend.
In Duisburg nahmen sie sich ein Taxi zu Meuling. Es war nicht gerade die beste Wohngegend der Stadt. Eine umgekippte Mülltonne stellte ein Hindernis für die Radfahrer dar. Ein paar Jungs machten sich einen Spaß daraus, ihren Fußball immer wieder dagegenzuknallen. Frauen mit Kopftüchern schleppten volle Einkaufstüten in ihre Hochhauswohnungen.
Hier parkte kein Porsche, wohl aber ein VW -Bus, neben einem tiefer gelegten silbergrauen Golf. Hinten drin eine Lautsprecheranlage, die ausgereicht hätte, um einen zweihundert Quadratmeter großen Raum mit Tanzmusik zu beschallen.
Dieter Meuling wohnte im 6 . Stock. Ann Kathrin klingelte. Als sich niemand meldete, wurde Weller hinter ihr nervös. »Das war eine Schnapsidee, hierherzufahren ohne Termin. Jetzt stehen wir hier herum und in Norden wartet die Arbeit auf uns.«
Ann Kathrin machte noch zwei Versuche, dann klingelte sie
ein Stockwerk höher bei Katja Krause. Der Klingelknopf war mit Nagellack rot angemalt. Aus der Gegensprechanlage hallte eine weibliche Stimme: »Süßer, ich hab gerade Besuch. Komm doch in einer Viertelstunde wieder, dann bin ich für dich frei.«
»Kein Problem, Süße«, gab Ann Kathrin zurück. »Ich hab nur
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