Ostfriesengrab
schinden, mit was für gefährlichen Leuten sie es zu tun hatten. Jedenfalls ließen sie die Mädchen allein und fuhren gemeinsam nach Dornumersiel.
Im Auto atmeten beide auf. Weller bedankte sich zunächst überschwenglich bei Ann Kathrin, weil sie sich so viel Mühe mit seinen Kindern gab. Ann Kathrin schwieg und lenkte den Wagen.
Kurz bevor sie vor dem Haus der Hennings ankamen, sagte Ann Kathrin: »Machen wir uns doch nichts vor. Sie hassen mich.«
»Nein«, sagte Weller, »wenn überhaupt, dann hassen sie mich. Weil ich ihre Mutter verlassen habe.«
Auch nach dem dritten Klingeln öffnete niemand. Ann Kathrin und Weller wollten schon wieder gehen, aber dann hörten sie drinnen die Klospülung. Diesmal ließ Ann Kathrin den Finger auf der Klingel.
Sie wunderte sich, warum sie kein Bellen hörte. Sie hatten den Schäferhund noch gut in Erinnerung und war wachsam.
Herr Henning wankte zur Tür und öffnete. Er sah aus wie ein Mann, der dem Teufel begegnet war – um Jahre gealtert.
Im Haus roch es nach Schnaps, und die Fahne von Henning war geradezu waffenscheinpflichtig. Er legte seine Hände übereinander und hielt sie Ann Kathrin entgegen: »Bitteschön, Frau Kommissarin. Ich leiste keinen Widerstand.«
Sie atmete nur flach und schob seine Hände weg. »Wenn Sie keinen Widerstand leisten, besteht auch keine Veranlassung, Ihnen Handschellen anzulegen«, erwiderte sie sachlich.
Markus Sassen bekamen sie nicht wach. Weller hatte auch keine Lust, ihn einfach so mitzunehmen. »Der reihert uns noch den ganzen Wagen voll«, gab er zu bedenken. »Sollen ihn doch die Kollegen abholen und … «
Ann Kathrin fühlte den Puls von Markus, hob sein rechtes Augenlid hoch und entschied dann, es sei besser, einen Arzt zu rufen.
Das Ganze sah für sie ein bisschen aus wie ein misslungener Selbstmordversuch mit Alkohol. Die Blutprobe ergab 2 , 4 Promille.
Und plötzlich drehte sich das Blatt zu Meulings Ungunsten. Als die Duisburger Kripo versuchte, den »größten Heroindeal in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland auffliegen zu lassen«, fanden sie genau fünfzehn Gramm Heroin, vier Gramm Koks, ein paar Ecstasy-Pillen, zwei Tüten Haribo-Lakritz, dreiundzwanzig Hustenbonbons und eine Packung Aspirin plus C über dem Verfallsdatum. Außerdem ein paar Päckchen Traubenzucker, aber die wurden schon gar nicht mehr im Polizeibericht erwähnt.
Als sie merkten, dass Meuling sie an der Nase durch den Ring geführt hatte, nahmen sie sich zunächst seine zwei Kollegen Gregor Paulsen und Torsten Meister vor. Eine knappe halbe Stunde später, nachdem sie richtig hart rangenommen worden waren, brach Meulings Alibi zusammen. Die beiden wollten nur noch ihren Kopf retten.
Sein bester Freund, Torsten Meister, gab zu, den VW -Bus seines Vaters an Meuling verliehen zu haben. Angeblich wollte Meuling damit Umzugskisten transportieren. An den genauen Tag konnten weder er noch sein Vater sich erinnern. Das Ganze sei ein paar Wochen her.
Im Fahrzeug fand die Spusi Duisburg DNA -Spuren von Mareike Henning.
Dieter Meuling wurde offiziell wegen Mordverdachts verhaftet und sein Aufenthaltsort ins Gefängniskrankenhaus verlegt.
Mit Genugtuung warteten Peter Henning und Markus Sassen in der U-Haft auf den Mordprozess gegen ihn. Ihr Anwalt versprach ihnen, dass sie auf jeden Fall mit einer Bewährungsstrafe davonkommen würden, wenn Meuling wegen Mordes an Mareike Henning verurteilt werden würde. Er erreichte, dass sie schon nach drei Tagen aus der U-Haft entlassen und unter Auflagen auf freien Fuß gesetzt wurden. Die beiden wurden von großen Kreisen der Bevölkerung in Ostfriesland als Helden gefeiert. Es gab kaum noch eine Gaststätte, in der sie bezahlen mussten. Jedem war es eine Ehre sie freizuhalten. Und sie erzählten ihre Geschichte gerne immer wieder aufs Neue.
Das half ihnen aber nicht, über Mareikes Tod hinwegzukommen, doch manchmal vergaßen sie dabei, worum es ging und warum sie für viele zu Helden geworden waren.
Ann Kathrin ging davon aus, dass Dieter Meuling Mareike Henning nicht nach Duisburg gebracht hatte, um sie dort auf ihren Tod vorzubereiten. Der Weg war einfach zu weit. Die Stelle, an der er sie gefangen gehalten hatte, konnte nicht weit vom Park entfernt liegen. Sie vermutete einen Umkreis von wenigen Kilometern, in Norden, Norddeich, Marienhafe, Hage, Bensersiel oder Esens. Hier irgendwo musste er sie gefangen gehalten und für die Zurschaustellung präpariert haben.
Wenn wir diesen Ort finden,
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