Ostfriesengrab
ihm, dass du anders bist und besser mit den Dingen umgehen kannst.
Er eierte noch ein bisschen herum, dann platzte er damit heraus: »Ich muss meine Kinder heute holen. Ich meine, ich möchte sie natürlich holen, also, ich freu mich ja irgendwie drauf. Aber … «
»Deine Mädchen kommen? Warum hast du mir das nicht vorher gesagt? Ich hätte dann … «
»Ich wollte es dir ja sagen, aber dann ist immer was dazwischengekommen. Irgendwas anderes war wichtiger. Ich habe einen günstigen Moment gesucht … «
»Was bin ich nur für ein Drachen? Musst du einen günstigen Moment suchen, um mit mir darüber zu sprechen, dass deine Kinder kommen?«
»Nein, aber … «
»Aber was?«
»Renate fährt für vierzehn Tage nach Mallorca und … «
»Sie sollen vierzehn Tage hier bleiben?«, fragte Ann Kathrin und ärgerte sich über den Ton ihrer Worte. Alles bekam einen falschen Klang. Wie oft hatte ihr Vater ihr gesagt:
Der Ton macht die Musik, Ann. Der Ton.
Er hatte einen fast flehenden Blick. »Bitte, Ann, mach mir jetzt keine Probleme. Es ist schon schwierig genug mit mir und mit den Kindern. Zuerst hat sie sie heftig gegen mich aufgehetzt. Ich hatte schon Angst, sie entfremdet sie mir völlig. Wir wollten doch schließlich beide nicht, dass es für mich genauso wird wie für dich. Du siehst deinen Sohn doch praktisch gar nicht mehr, obwohl er in Hage wohnt.«
Das saß. Ann Kathrin drehte sich abrupt um und sah wütend aus dem Fenster. Ein Aprilschauer prasselte dagegen. Ein scharfer Westwind beugte die Birnbäume im Vorgarten.
Ann Kathrin hielt vor Wut die Luft an. Sie wusste, dass ihr das nicht guttat. Immer wenn sie verletzt wurde, stockte ihr der Atem. Es tat weh, an Eike und ihre kaputte Mutter-Sohn-Beziehung erinnert zu werden.
»Danke«, sagte sie. »Das war jetzt sehr hilfreich, Frank. Ich weiß, dass ich als Muttertier eine Versagerin bin. Du musst es mir nicht noch täglich vorbeten.«
»Aber das meine ich doch gar nicht! Du bist eine wundervolle Mutter! Du … Meine Kinder werden dich bestimmt mögen … «
Er hatte Angst, es immer noch schlimmer zu machen. Er wollte losfahren, um die Kinder zu holen. Im Grunde war er schon gut zwei Stunden zu spät dran.
Da klingelte es an der Haustür. Weller hörte die Stimme von Renate. Sie sprach laut mit den Kindern und kündigte ihnen an, ihr Vater werde ganz tolle Sachen mit ihnen machen und sie hätten bestimmt eine Superzeit hier in dem schönen, großen Haus in Norden.
Weller stopfte sich sein Hemd in die Hose und öffnete die Tür. Der Wind drückte seine Kinder in den Flur. Mit den Kindern kamen Blätter und Regentropfen herein. Oben im Arbeitszimmer knallte ein Fenster zu.
Er konnte seine Exfrau unmöglich an der Tür abfertigen. Er musste sie hineinbitten. Die Kinder begrüßten ihn merkwürdig verhalten. Sie machten sich keine Mühe zu verbergen, dass sie keine Lust hatten, die nächsten vierzehn Tage hier im Distelkamp zu wohnen.
Renate sah unglaublich gut aus. Sie hatte ihre Haarfarbe verändert und ihre Frisur. Er konnte sich nicht mal richtig an ihre frühere Haarfarbe erinnern, aber so feuerrot war ihr Haar vorher garantiert nicht gewesen. Auch die schwarzen Strähnen darin kannte er nicht. Um die Augen herum war sie ihm ein bisschen zu dramatisch geschminkt.
Sie machte ganz auf fröhliche Familie. Es sei ja nicht schlimm, dass er die Kinder vergessen hätte. Das sei bestimmt nicht böse gemeint gewesen, denn er habe ja sicherlich viel zu tun, und es mache ihr überhaupt nichts aus, die Kinder vorbeizubringen. Ob er mal mit zum Auto kommen könne, um die Koffer reinzuholen?
Ann Kathrin blieb noch einen Moment alleine in der Küche und ballte beide Fäuste. Sie hatte sich so sehr gewünscht, dass ihr Sohn zu ihr zurückkommen würde. Stattdessen hatte sie jetzt Wellers Kinder hier.
Sie nahm sich vor, freundlich zu sein. In ihr keimte sogar die Hoffnung, Eike könne eifersüchtig werden, wenn andere Kinder bei ihr wohnten, und dann vielleicht wieder mehr Interesse an seiner Mutter zeigen. Aber sie ärgerte sich maßlos darüber, dass Weller sie nicht vorher informiert hatte. Sie hätte einkaufen können, und ein Zimmer musste für die Mädchen hergerichtet werden.
Dann stand sie den beiden Mädchen gegenüber, die völlig desinteressiert wirkten und es ihr schwermachten, auch nur die Namen aus ihnen herauszubekommen.
»Wer von euch ist denn die Jule und wer die Sabrina?«
Die beiden warfen sich Blicke zu, als könne nur eine völlige
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