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Ostfriesengrab

Ostfriesengrab

Titel: Ostfriesengrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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wusste nicht, ob sie nach rechts oder links gehen sollte. Sie zitterte. Sie suchte nicht mehr nach den richtigen Worten. Sie kreischte einfach nur noch wie jemand in Todesangst.
    Weller wusste sofort, dass es Ann Kathrin war, und warf sich mit der ganzen Wucht seines Körpers gegen die Wagentür. Das nutzte allerdings überhaupt nichts. Er holte sich nur ein paar blaue Flecken. Er zog seine Dienstwaffe. Notfalls würde er sich den Weg freischießen.
    »Bist du wahnsinnig?«, schimpfte Schrader. »Das gibt Querschläger! Willst du uns alle umbringen?«
    Ann Kathrin hörte die Männer im Wagen. Sie tastete sich in die Richtung der Stimmen vorwärts und Minuten später gelang es ihr, die Tür zu öffnen.
    Dann fiel sie weinend in die Arme von Weller.
    Weller versuchte, mit den Fingerspitzen ihre Augenlider anzuheben. »Was ist passiert, Ann? Was ist passiert? Wo ist Meuling?«
    Ann Kathrin konnte gar nicht reden. Sie drückte sich wie ein kleines Kind an ihn. Am liebsten wäre sie in ihn hineingekrochen und vollständig unter seinem feuchten Hemd verschwunden.
    »Ja, und was machen wir jetzt?«, fragte Schrader.
    »Beichten«, sagte Weller trocken. Er brachte zunächst Ann Kathrin in den Dienstwagen und gab ihr ein Handtuch vom Rücksitz. Sie hielt es in den Händen, benutzte es aber nicht, ganz so, als sei ihr entfallen, wozu Handtücher da waren. Dann
rief Weller Ubbo Heide an und eröffnete seine Beichte mit der Frage: »Chef, ich hoffe, du sitzt?«
    Mehr musste Weller gar nicht sagen, da wusste Ubbo Heide bereits, dass etwas grauenhaft schiefgelaufen war.
    Weller gab einen kurzen, relativ sachlichen Bericht durch, dann tupfte er mit dem Handtuch Ann Kathrins Gesicht ab.
    Sie nieste. Ihre blond gefärbten Haare hingen in langen nassen Strähnen herunter. Ihr Gesicht war aufgequollen und etwas in ihr war zerbrochen.
    Weller unternahm einen fast schon rührenden Versuch, sie aufzuheitern: »Ich glaube«, sagte er, »wir sind unserem Fischstand in Norddeich heute einen großen Schritt näher gekommen.«
    Auf der Fahrt zur Polizeiinspektion Aurich wunderte Weller sich, warum über Polizeifunk keine Ringfahndung durchgegeben wurde. Was hatte Ubbo Heide im Sinn? Versuchte er, das Ganze als geheime Aktion durchzuführen, damit die Presse keinen Wind davon bekam?
    Es gab auch keine Straßensperren. Nicht ein einziger Polizeiwagen begegnete ihnen.
    Weller parkte den Wagen auf dem Parkplatz im Carolinenhof. Ann Kathrin hatte es abgelehnt, nach Hause gebracht zu werden. Einen Moment hatte Weller sogar überlegt, sie gegen ihren Willen nach Norden in den Distelkamp zurückzufahren. Sie brauchte jetzt sicherlich ein heißes Bad viel dringender als jedes noch so wichtige Dienstgespräch. Die nasse Kleidung klebte an ihrem Körper. Innerlich zitterte sie. Ihre Hände und ihre Füße waren eiskalt.
    Ubbo Heide saß aufrecht hinter seinem Schreibtisch. Er wirkte blass und ein bisschen fahrig. Sein Gesicht war teigig, und inzwischen konnte man ihm ansehen, dass er seit gut zwei Jahren außer Boßeln keinen Sport mehr getrieben hatte.
    Seine Lippen waren schmal. »Na, ihr Helden? Ihr habt die
ganze Innung blamiert! Was soll ich denn jetzt tun? Ich bin in einer fürchterlichen Situation.«
    Ann Kathrin, die inzwischen wieder durch kleine Augenschlitze gucken konnte, sah Ubbo Heide nur verschleiert. Er wirkte auf sie wie ein fetter Geier, der auf seinem Schreibtischstuhl saß.
    »Seine Anwältin, Frau Johannsen, hat mir Pfefferspray oder CS -Gas ins Gesicht gesprüht. Sie hat mir meine Dienstwaffe entwendet und unseren Gefangenen befreit. Wir haben das in aller Deutlichkeit durchgegeben. Warum läuft keine Ringfahndung?«
    Ubbo Heide kam sich lächerlich dabei vor, aber er schlug trotzdem mit der Faust auf den Schreibtisch. Irgendwo musste er hin mit seinen Gefühlen. »Von wegen Gefangenenbefreiung! Die Dame hat gerade hier angerufen und mir die Hölle heiß gemacht. Das ist eine Juristin, die nennt das ›In-Obhut-Nahme‹. Sie hat Meuling an einen geheimen Ort gebracht, um ihn vor der Polizei zu schützen.« Ein zweites Mal schlug er auf die Schreibtischplatte. »Das muss ich mir von so einer Anwältin sagen lassen! Sie schützt ihren Mandanten vor uns, weil meine wild gewordenen Kollegen Geständnisse mit vorgehaltener Waffe erpressen wollten! Sie hat schon einen Termin bei Staatsanwalt Scherer gemacht. Oder sollte ich besser sagen, sie hat Scherer zu sich hin zitiert? Und irgendeinen Gerichtspräsidenten von der Lübbe oder von der

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