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Ostfriesengrab

Ostfriesengrab

Titel: Ostfriesengrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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Gutachten lag bei. Jemand, der Ann Kathrin Klaasen noch nie gesehen hatte, diagnostizierte aufgrund von Aktenstudien eine bipolare Persönlichkeit.
    Ann Kathrins Dienstwaffe hatte Frau Johannsen Staatsanwalt Scherer übergeben. Dazu einen persönlichen Bericht, wie sie an die Waffe gekommen war und warum es völlig unverantwortlich war, einer so labilen Persönlichkeit wie Ann Kathrin Klaasen die Dienstwaffe wieder auszuhändigen.
    Ubbo Heide beurlaubte Ann Kathrin, um sie zunächst mal aus der Schusslinie zu nehmen, und riet ihr dringend, mit der Polizeipsychologin zu sprechen.
    »Im Grunde«, sagte Ubbo Heide, »müssen wir Cora Johannsen sogar dankbar sein. Sie hat kein Interesse daran, uns zu schaden. Sie ist sehr maßvoll vorgegangen. Es gibt eine Übereinkunft mit ihr. Sie wird die Presse aus allem heraushalten. Wir können uns keinen Polizeiskandal in dieser Größenordnung leisten. Vor allen Dingen nicht, solange hier ein Mörder frei herumläuft, der sein Opfer rasiert und frisiert und dann auf ekelhafte Weise zur Schau gestellt hat.« Er atmete tief durch und zog den Gürtel seiner Hose höher, dann belehrte er Ann Kathrin: »Meuling ist nicht der Friseur, Ann Kathrin. Das musst du doch einsehen!«
     
    Verena Glück war das ideale Opfer für ihn. Sie war von engelhafter Schönheit, hatte aber auch etwas Verruchtes an sich. Er musste sie nicht jagen und einfangen. Er konnte sie zu sich
bestellen. Sie machte sich von Anfang an zu seiner Komplizin. Mit ihr würde alles leicht werden, viel einfacher als mit Mareike Henning.
    Verena hatte gerade ihren sechsundzwanzigsten Geburtstag hinter sich, sah aber aus wie zweiundzwanzig. Und das, obwohl sie vor drei Jahren ein Kind bekommen hatte: die kleine Kim. Sie hatte schon als Schülerin an verschiedenen Schönheitswettbewerben teilgenommen, aber nie den ersten Preis gewonnen. Er wusste auch genau, warum. Sie verstand es nicht, eins zu werden mit ihrer inneren Schönheit. Da war immer ein Widerspruch, eine Zerrissenheit. Was die Augen versprachen, machten die Mundwinkel zunichte. Auf dem Laufsteg kämpften die Heilige und die Hure in ihr um die Führung. Deswegen war sie nichts von beidem. Sondern unentschieden und blass. Der Engel konnte seine göttliche Pracht nicht entfalten und die Verführerin nicht ihren unwiderstehlichen Charme.
    Er kannte Bilder von ihr und er hatte sie dreimal live gesehen. Einmal in Oldenburg, als sie im Kaufhaus Dessous vorführte. Damals war sein Plan gereift und er wusste, dass sie ein Puzzlestück in seinem Spiel werden würde. Später dann kellnerte sie in einer Pizzeria. Die Spaghetti waren noch schlimmer als die Pizza, aber sie machte alles mit einem Lächeln wett. Wenn sie die halbvollen Teller abräumte und sah, dass die Gäste nur im Essen herumgestochert hatten, fragte sie mit ihrem gewinnenden Lächeln: »Hat es Ihnen nicht geschmeckt?«
    Jeder noch so verärgerte männliche Gast erlag ihren großen grünen Augen und wiegelte ab: »Doch, doch, ich bin nur schon so satt.«
    Sie warf dann ihre langen blonden Haare zurück und suchte Blickkontakt mit dem Gast. In ihrem Dankeschön lag eine Art Entschuldigung für das schreckliche Essen. Jeder Gast sollte doch wissen, dass sie nichts dazu konnte und nur hier arbeiten musste.
    Zweimal hatte er dort gegessen, und obwohl er sich an dem Tiramisu den Magen verdorben hatte, wäre er am liebsten noch öfter hingegangen, nur, um ihr zuzusehen. Er war ein Augenmensch. Er lebte von Bildern. Jede ihrer Bewegungen speicherte er ab. Er konnte jederzeit die Augen schließen und sich auch die kleinsten Details ins Bewusstsein zurückrufen. Er hatte ein fotografisches Gedächtnis. Bilder prägten sich ihm auf ewig ein. Besondere Bilder. Bilder, die in ihm etwas auslösten. Einen Impuls, den er nur schwer beschreiben konnte. Diese winzige Falte, die ihre Strumpfhose in der Kniebeuge warf zum Beispiel, oder der schräge Absatz von ihrem linken Schuh. Der V-Ausschnitt ihres T-Shirts, wenn sie sich vorbeugte und das Essen auf den Tisch stellte. Ihr Wimpernaufschlag, mit dem sie jedes ihrer Worte unterstrich, ja, erst hervorholte, als würde sie ihre Rede mit den Wimpern dirigieren.
    Er hatte den Platz für sie schon lange vorher ausgesucht. Er brauchte eine trockene Nacht. Schon ein bisschen Regen hätte alles zunichtemachen können.
    Er hatte die Ferienwohnung auf Norderney angemietet. Alle Vorbereitungen waren einfach und zu seiner völligen Zufriedenheit verlaufen.
    Verena Glück war aufgeregt, als

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