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Ostfriesengrab

Ostfriesengrab

Titel: Ostfriesengrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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sie in Norddeich-Mole die Fähre nach Norderney betrat. Ihr Mann Jonas durfte auf keinen Fall erfahren, was sie tat. Sie hatte ihm erzählt, sie würde zu ihrer Mutter nach Cuxhaven fahren. Er war froh, nicht mit zu müssen, und ihre Mutter log für Verena, wenn nötig.
    Jonas war ein guter Mann und er hatte die kleine Kim angenommen wie sein eigenes Kind. Er kümmerte sich rührend um Kim. Viele Leute behaupteten sogar, Kim habe mehr Ähnlichkeit mit ihm als mit ihrer Mutter. Aber das konnte nicht sein, denn Jonas war nicht Kims Vater. Kim war das Ergebnis eines One-Night-Stands. Sie hatte nicht mal versucht, daraus eine richtige Beziehung werden zu lassen. In der Nacht, in der Kim gezeugt
wurde, wusste Verena auch, dass sie mit dem Mann auf keinen Fall zusammenleben wollte. Erst war er nett und fröhlich, aber dann egoistisch, gemein, redete schmutziges Zeugs und hatte Spaß daran, ihr Erschrecken zu sehen. Nein, der war einfach nicht der Richtige für sie.
    Sie liebte ihren Jonas. Er war ein Teddybär zum Knuddeln, hatte zehn Kilo zu viel drauf und nicht die geringste Lust, sie abzutrainieren oder runterzuhungern. Er war ein Genussmensch und konnte gut kochen. Seit drei Monaten war er arbeitslos. Die Computerfirma, für die er zwölf Stunden am Tag da gewesen war, hatte pleite gemacht. Seitdem kochte er, und zwar alles. Vom Frühstücksei übers Mittagessen bis zum Nachtmahl.
    Kim liebte seine Desserts. Es waren bunte Kunstwerke mit Sahnetürmchen und Schokoladenstreuseln. Glücklich machende Kalorienbomben.
    Verena hatte Jonas nicht alles von sich erzählt. Er war katholisch, und das nicht nur auf dem Papier. Er wollte sie heiraten und mit ihr gemeinsam Kim großziehen und vielleicht noch weitere Kinder. Dass sie eine unverheiratete Mutter war, schien ihm nichts auszumachen. »Mein gefallener Engel« nannte er sie gern. Dass sie mal als Fotomodell gearbeitet hatte, fand er schmeichelhaft. Ein paar ihrer Fotos hatte sie ihm gezeigt. Bilder, auf denen sie Schuhmode präsentierte, T-Shirts, Röcke, Hosenanzüge für die Geschäftsfrau. Sie war nie wirklich weit gekommen. Richtige Markenfirmen hatten sie nie gebucht. Sie war mehr das Model für den Sommerschlussverkauf. Oft stand neben ihrem Foto »Zwanzig Prozent preisreduziert«. Sie pries mit ihrem Lächeln die Supersonderangebote an.
    Ihre Auftritte in der Dessousshow hatte sie Jonas verschwiegen. Sie hatte Kim und sich eine Weile mit privaten Fotoshootings durchgebracht. Eine kleine Agentur aus Bremen verschaffte ihr die Aufträge. Für vierhundert Euro pro Tag stand sie für erotische Fotos zur Verfügung. Es gab klare Verträge. Die Fotos
waren nur zum Privatvergnügen. Sie durften nicht veröffentlicht werden.
    Beim ersten Mal war es ihr schwergefallen und sie hatte es wirklich nur für das Geld gemacht. Die Agentur bekam dreißig Prozent, aber trotzdem, wenn sie überlegte, wie lange sie für das Geld kellnern musste, dann fiel ihr die Entscheidung leicht.
    Keiner der Männer war jemals übergriffig geworden. Die meisten träumten nur gerne davon, Starfotografen zu werden, und wussten doch genau, dass sie sich diesen Traum niemals würden erfüllen können. Dazu waren sie nicht gut und auch nicht durchsetzungsfähig genug. Sie blieben Finanzbeamte, Tankstellenpächter oder Oberstudienräte. Aber sie liebten es, einmal in diese Rolle zu schlüpfen und einer schönen Frau sagen zu können: »Stell dich so hin, tu dies, mach das. Reck den Po höher, lächle, dreh dich um.«
    Verena genoss es zunehmend, so sehr im Mittelpunkt zu stehen. So viel Aufmerksamkeit zu haben, und wenn jeder Zentimeter Haut von ihr so wertvoll war, dass er sorgsam ausgeleuchtet werden musste, dann fühlte sie sich gut und begehrt.
    Manchmal ließ sie sich von einem der Männer danach zum Essen einladen. Nie hatte einer versucht, sie ins Bett zu bekommen.
    Während des Essens hatten die meisten von ihrer Schönheit geschwärmt und nicht aufgehört, sich für das schöne Fotoshooting zu bedanken.
    Einer, mit rundem Bauch und Hängebacken, dessen Augen mit jugendlicher Kraft strahlten, hatte sie als »Göttin« bezeichnet. Ja, drei-, viermal hatte er gesagt: »Verena, Sie sind eine Göttin für mich.«
    Einige Männer hatten sie ein zweites und ein drittes Mal gebucht. Jetzt war ihr mulmig bei dem Gedanken, Jonas könnte eines dieser Bilder sehen. In dunklen Stunden und düsteren Träumen sah sie Jonas an einem Tisch stehen und mit völligem
Entsetzen auf einen Stapel Fotos starren, die

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