OstfriesenKiller
Pullover verschwinden lassen. Es klingelte augenblicklich noch einmal.
Ihr Mann und ihr Sohn warfen sich vielsagende Blicke zu. Sie stöhnte, wendete sich von den beiden ab und klappte das Handy wieder auf. »Ich hatte doch gesagt, jetzt …«
Schon Ruperts Stimme sagte ihr, dass sie jetzt nicht noch einmal auflegen konnte. Es war etwas passiert. Etwas Dramatisches.
Ann Kathrin ging mit dem Handy in Richtung Küche, um ungestört zu sein.
Eine Leiche war kein alltägliches Ereignis. Ein Ermordeter reichte aus, um den Urlaub abzubrechen, auch wenn er gerade erst begonnen hatte. Eine Leiche relativierte auch diesen Streit. Jetzt musste Ann Kathrin ganz die Hauptkommissarin werden. Etwas in ihr war sogar erleichtert. Hier war jetzt alles ausgesprochen. Die Karten lagen auf dem Tisch, und sie hatte einen guten Grund, sich noch einmal zurückzuziehen, um dann gestärkt in die nächste Runde zu gehen.
»Ja, gut. Ich komme sofort.«
Sie wollte zurück zu Mann und Sohn, doch die beiden standen bereits nebeneinander in der Küchentür.
»Es tut mir leid. Wir müssen unser Gespräch leider auf morgen ver…«
Hero ließ die Hände gegeneinanderklatschen. »Siehst du, so ist es immer. Wenn es stimmt, dass sich in einem Tropfen Wasser das ganze Meer spiegelt, so zeigt sich in dieser Situation hier unsere Ehe. Du bist plötzlich da, machst einen Riesenaufstand, und bevor irgendetwas geklärt wird, bist du wieder weg, und wir beide bleiben mit dem Alltag zurück.«
Ann Kathrin nahm den Ball an und schmetterte die Vorlage hart zurück. »Entschuldigen Sie bitte, Herr Psychologe, aber ich habe mit meinen Mördern keine Verträge, in denen steht, dass sie sich an die Bürozeiten halten müssen. Meine Klienten sind auch nicht verpflichtet, 24 Stunden vorher abzusagen, wenn es ihnen nicht passt. Ein Verhör ist auch nicht auf 50 Minuten beschränkt und wird nicht von der Krankenkasse bezahlt.«
Im Vorbeigehen berührte sie Eike und strich ihm durchs Haar. »Geh wieder schlafen. Ich beeil mich. Wir reden morgen früh. Ich hab dich lieb. Es tut mir leid.«
Als sie die Tür hinter sich schloss, lehnte sie sich einen Moment mit dem Rücken dagegen und holte tief Luft. Innen hörte sie die Stimme von Hero. Er rief hinter ihr her: »Dankeschön für den netten Abend, Frau Kommissarin! Es war mal wieder ganz bezaubernd!«
Ann Kathrin Klaasen war immer noch aufgewühlt und eigentlich viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um sich jetzt einem Mordfall widmen zu können. Sie war noch ganz im Gefühl der betrogenen Ehepartnerin, die spürt, wie weh es tut, recht gehabt zu haben.
Die Konfrontation war nicht ganz so gelaufen, wie sie es erhofft hatte, doch sie war stolz auf sich, weil sie sich nicht wieder hatte einwickeln lassen. Wenn sie an Eike dachte, wuchs ihre Wut auf Hero. Er zog den Jungen an sich, brachte ihn auf seine Seite, nutzte ihn als Waffe im Ehekrieg. Manchmal sah Eike sie an wie Hero. Das Gesicht nach unten, den Augenaufschlag ein bisschen verschämt. Diese tiefbraunen Augen konnten sie mit einer Mischung aus: »
Mir kannst du doch nichts vormachen«
und »
Ich hab dich längst durchschaut«
angucken.
Ann Kathrin Klaasen fuhr zu dem Zweifamilienhaus in Süderneuland. Die Fahrt war viel zu kurz für sie, um den Streit mit Hero zu verdauen und sich frei von privaten Sorgen dem neuen Fall widmen zu können. Sie war in wenigen Minuten dort.
Die Siedlung glich der, in der sie selbst wohnte. Recht neue Ein- und Zweifamilienhäuser, rote Ziegel, gepflegte Vorgärten. Auch hier die ersten Tulpen und Krokusse. Im Licht der Scheinwerfer sah sie die weißen Blüten der Birnbäume.
Jedes Haus war in seiner Architektur anders, und doch ergab alles zusammen ein einheitliches Bild. Eine friedliche Idylle. Ein schöner Ort, um dort zu wohnen.
Sie musste die Hausnummer nicht suchen. Vor dem Zweifamilienhaus parkten bereits zwei Polizeiwagen mit laufendem Blaulicht. Eine Gruppe uniformierter Beamter aus Norden sicherte den Tatort. Außerdem waren ihre Kollegen von der Spurensicherung aus Aurich da. Um den Vorgarten wurde ein rot-weißes Band gezogen, um den Bereich abzusperren.
Im Licht der Scheinwerfer sah Ann Kathrin das Garagentor. John Lennons riesiges Gesicht lächelte sie an. Sein Gesicht füllte das ganze Garagentor aus. Es war in einem Rahmen wie aus schwarzem Trauerflor.
Rupert und Weller waren schon im Haus. Sie mussten sich lange überlegt haben, Ann Kathrin anzurufen, denn ihr Weg hierher war viel kürzer als
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