OstfriesenKiller
gewesen. Nie hatte er bei einer Frau solch eine ungehemmte Ekstase erlebt. Jetzt biss Sylvia sich in den Handrücken. So etwas tat sie nur, wenn sie spürte, dass sie den Boden unter den Füßen verlor. Wenn sie in der Wirklichkeit bleiben wollte. Es tat ihr gut, das Blut zu spüren, wie es das Handgelenk hinunterlief. Ihr Gesichtsausdruck veränderte sich. Sie stand in gebückter Haltung vor ihm, wie ein Orang-Utan, der im Käfig vor den Gitterstäben hin- und herläuft.
»Ich hab sie belauscht. Speicher hat es zu Jutta gesagt.
Am Samstag
, hat er gesagt,
da platzt die Bombe
. Samstag, verstehst du? Während unserer Zehn-Jahres-Feier!«
Ludwig erkannte das ganze Ausmaß von Sylvias Verwirrung. »Aber Sylvie. Ulf wollte dann der Stadt drohen, die Arbeit einzustellen, falls unsere Zuschüsse nicht erhöht werden. Das war die Bombe. Er verlangte eine institutionelle Förderung, verstehst du? Er wollte ihnen die Pistole auf die Brust setzen und sagen,
diese Feierstunde hier wird gleichzeitig das Ende des Regenbogen-Vereins sein, wenn ihr uns nicht mehr entgegenkommt und wir nicht mehr Unterstützung bekommen
. So war er. Er hat einfach hoch gepokert. Das sollte die Bombe sein, die platzt. Keine richtige Bombe, die Menschen verletzt! Verstehst du?«
Ludwig hatte sich in Rage geredet. Er versuchte, sich wieder ein bisschen zu mäßigen. Er musste netter zu ihr sein. Er durfte sie nicht einfach in die Enge treiben. Er wusste, dass das nur ihren Trotz provozieren würde.
Seine Worte erreichten sie. Sie schien zu begreifen, was sie getan hatte. Sie zitterte und stammelte: »Er hat gesagt, er wolle die Bombe platzen lassen.«
»Ja, das sagt man so. Das ist nur ein Bild, verstehst du?«
Sylvia sackte zusammen. Sie kniete zwischen den Scherben auf dem Teppich. An ihrer Wade tropfte Blut herab. »Aber«, stammelte sie, »aber du hast gesagt, du bist Agent, und die sind Terroristen!«
Ludwig bückte sich zu ihr und nahm sie in den Arm. »Ich liebe die Pia, verstehst du. Du wolltest ständig was mit mir unternehmen. Du warst dauernd hinter mir her. Ich erinnere mich noch ganz genau an den Abend. Wir wollten bei Ulf Doppelkopf spielen. Du warst eifersüchtig und wolltest mich dahin begleiten. Ich musste dich irgendwie loswerden. Und da bin ich eben auf deine Geschichte eingestiegen. Ich hab dir erzählt, ich würde die Doppelkopfrunde nur beschatten. Ich hab das gemacht, um dich loszuwerden.«
Sylvia fingerte das rosa Löschpapier aus ihrer Hosentasche und warf es auf den Boden. Darauf standen sechs Namen. Vier davon waren durchgestrichen. Nur zwei Personen lebten noch. Bernd Simon und Pia Herrstein.
»Du hast gesagt, sie sind Al-Qaida-Terroristen!«
»Nein, ich hab gesagt, ich beschatte sie.«
Er bekam mörderische Kopfschmerzen. Hatte er sie in diesen Wahn hineingetrieben? Hätte er nicht merken müssen, worauf das alles hinauslief? Es schnürte ihm den Hals zu. Er fühlte sich schuldig am Tod seiner besten Freunde.
»Wer weiß etwas davon?«, fragte er. »Hast du jemandem etwas erzählt? Dem Tim?«
Sie schüttelte bei jeder Frage den Kopf, presste ihn dann aber gleich wieder an seine Schulter. Ihre Tränen durchnässten sein Hemd. »Nein, niemandem hab ich was gesagt. Ich bin doch nicht blöd. Ich wollte unseren Auftrag doch nicht gefährden.«
»Wo ist das Gewehr, Sylvie? Und die anderen Waffen? Gib sie mir.«
Sie erhob sich schwerfällig und ging aus dem Raum. Er folgte ihr in den Keller.
Sie standen vor dem Waffenschrank. Ludwig sah sich die vier Gewehre an. »Welches davon hast du benutzt?«
Sie deutete darauf. »Opas Lieblingsgewehr.«
»Funktionieren die anderen auch noch?«
Wieder nickte sie. »Ja. Alle.«
Ludwig nahm alle vier Gewehre an sich. »Sylvie, du darfst niemandem jemals etwas davon sagen. Sie sperren dich sonst für immer weg. In eine Anstalt. So wie den Andi damals, weißt du noch? Den hast du doch gemocht.«
»Ja, der war nett.«
»Hast du eine Mülltüte, eine Tasche oder so etwas? Wir müssen das ganze Zeug verschwinden lassen. Keine Angst, Sylvie. Ich helfe dir. Keiner wird auf dich kommen. Keiner.«
»Ich habe Handschuhe benutzt und danach meine Sachen verbrannt. Richtige Agenten hinterlassen keine Spuren«, sagte sie stolz.
»Ja, ja. Jetzt zeig mir das Schwert. Wo ist das Schwert?«
»Hier.«
»Ist das auch von deinem Opa?«
»Ja klar. Denkst du von meiner Oma?«
Ludwig sah sich nach einer Tasche um. Hier unten stand nichts. Er lief hoch. Er wusste, wo sie ihre Sportsachen
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