Ostfriesenmoor: Der siebte Fall für Ann Kathrin Klaasen (German Edition)
hier ist garantiert bei der Sitte noch völlig unbekannt. Die Adresse wird nur von Kennern weitergegeben. Die kommen auf immer neue Ideen, sich zu tarnen.
Silke Meiser. Vor so viel Frechheit hatte er schon fast wieder Respekt.
Gegenüber vom Eingang stand die Tür halb offen. Der Junge dahinter hoffte darauf, wieder einen Blick auf Silke zu erhaschen.
Silke Meiser öffnete die Tür und enttäuschte Rupert. Sie war nicht in Lack und Leder gekleidet, sondern in luftig wallende orangene Tücher, durchsetzt mit goldenen Fäden. Sie lächelte Rupert an und erkannte ihn sofort.
»Mit dir«, sagte sie, »habe ich ja überhaupt nicht gerechnet. Ich erwarte eigentlich einen anderen Klienten. Aber komm nur rein.«
Dann zog sie ihn zu sich rein und freute sich: »Hat sie dich also doch geschickt, deine Beate. Kluge Entscheidung!«
Sie berührte seinen Haaransatz flüchtig, so als müsse sie eine Strähne zurechtstreichen. Ein Schauer durchrieselte Rupert vom Kopf bis zu den Füßen.
Hinter seiner Stirn kreiste die Frage: Warum ringst du sie nicht nieder, legst ihr Handschellen an und überprüfst sie erkennungsdienstlich?
Wie in einer dunklen Nacht am Horizont ein einsames Leuchtfeuer, so flackerte in seinem Bewusstsein immer wieder der Name auf: Beate. Beate.
Hatte die gerade wirklich den Namen seiner Frau erwähnt? Hatte die wirklich gesagt: »Hat sie dich also doch geschickt, deine Beate« ? War das nur ein Versuch, ihn zu bluffen, oder wusste die tatsächlich, wie seine Frau hieß? Hatte diese gottverdammte Bande längst ein Netz um ihn gesponnen? Wussten die Gangster mal wieder mehr über die Polizei als die Polizei über die Ganoven?
Die Frau war von einer Aura umgeben, die ihn geradezu elektrisierte. Er wusste nicht genau, was mit ihm geschah. Wieder berührte sie ihn, diesmal seinen Unterarm, als wolle sie ihn liebevoll ins Innere der Wohnung geleiten.
»Lassen Sie mich los, oder ich breche Ihnen das Handgelenk!«, zischte er.
Sie lachte. »Ich mag solche Polizistenwitze nicht.«
Sie ging voran und versprach fröhlich. »Beate hat mir schon einiges von dir erzählt. Du bist ja genau der Typ harte Schale, weicher Kern. Das ist deine erste Behandlung, stimmt’s?«
Rupert hatte einen Kloß im Hals, als er »Ja«, grunzte.
Etwas wie ein Ur-instinkt meldete sich in Rupert und machte ihm deutlich, dass es unklug wäre, jetzt alles auffliegen zu lassen. Stattdessen spielte er einfach mit und achtete genau darauf, was geschah.
Sie führte ihn in einen Raum, der ihn an eine Höhle erinnerte, mit einer Massageliege in der Mitte. Wer sich die Wände in solch erdigen Farben strich, hatte für Rupert ohnehin einen an der Waffel.
Es irritierte ihn immer noch, dass sie den Namen seiner Frau wusste. Was lief hier eigentlich ab?
Rupert berührte die Liege, wie um sich zu vergewissern, dass sie wirklich im Raum war und er sich nicht in einem Drogenrausch befand. Hier amüsierte sich also der vornehme Herr Renken.
Was für eine Form von SM soll das denn sein?, fragte Rupert sich. Er sah keine Peitschen, keine Ketten, Masken, kein Lack und Leder.
»Du bist ja noch ganz aufgeregt und voller Stress. Wollen wir uns erst ein bisschen unterhalten? Ich könnte uns einen Tee machen und danach …«
»Nein danke, ich trinke keinen Tee.«
»Willst du gleich eine Reiki-Behandlung?«
»Nennt man das jetzt so? – Was haben Sie mit meiner Frau zu tun?«
Es nervte Rupert, dass sie ihn die ganze Zeit duzte und er sie siezte. Normalerweise war das umgekehrt. Aber er schaffte es nicht, »du« zu ihr zu sagen. Von dieser Frau ging etwas aus, das ihn beeindruckte. Er ging sonst mit Huren anders um.
Sie hielt ihre Hände merkwürdig. Die Handflächen in seine Richtung, die Finger zusammen. Was hatte diese Frau vor?
»Woher kennen Sie meine Beate?«
»Hat sie dir das nicht erzählt? Wir sind Schulfreundinnen. Danach haben sich unsere Wege getrennt, aber jetzt hat das Universum mit seiner unergründlichen Weisheit uns wieder zusammengeführt.«
Misstrauisch hakte er nach: »Und meine Frau hat Sie hier besucht?«
»Ja. Sie will einen Grundkurs bei mir machen.«
Rupert hörte sich selbst kreischen: »In SM?«
»Ich glaube, du befindest dich in einem Irrtum. Du glaubst, dies hier sei ein Bordell, was?«
Rupert nickte. »Was denn sonst?«
»Ich bin keine Domina und auch keine Prostituierte. Ich bin Reiki-Meisterin.«
»Ach was?«
»Reiki ist der japanische Name für Universelle Lebensenergie. Der Mönch Usui Mikao hat Reiki
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