Ostfriesenmoor: Der siebte Fall für Ann Kathrin Klaasen (German Edition)
Gersema überlassen, die dann ihren Freunden von der ostfriesischen Presse ein paar Details steckte. Oh nein. Er würde sich an eine der großen Talkshows wenden.
»Ich war der Kommissar, der die Monster zur Strecke brachte …«
Der Gedanke daran war geiler als Sex mit Beate oder Frauke.
Er lenkte mit einer Hand, schlürfte seinen Kaffee und fuhr mit neunzig immer knapp überm erlaubten Tempolimit in Richtung Leer.
Ann Kathrin wusste nichts mit sich anzufangen. Sie fuhr in die alte Wohnung ihrer Mutter, um wenigstens noch ein paar Umzugskisten zu packen. Als sie dort ankam, staunte sie nicht schlecht. Es waren keine Möbel mehr in der Wohnung. Alles war leer und besenrein verlassen.
Zunächst glaubte Ann Kathrin an ein Verbrechen. Hatte sie vergessen, die Tür abzuschließen? Lebten wir inzwischen in solchen Zeiten, dass Leute mit einem Möbelwagen vorfuhren, eine ganze Wohnung ausräumten und dann verschwanden?
Sie ging durch die leeren Räume. Ihre Schritte hallten auf dem Parkettboden.
Nein, das hier war garantiert kein Verbrechen. Gangster fegten die Wohnung nicht aus, und sie hatte auch noch nie gehört, dass Einbrecher die Blumen von der Fensterbank mitgenommen hätten.
Sie klingelte bei einer Nachbarin. Sie hatte diese Frau nie wirklich leiden können. Sie sah aus wie die Hexe, die Ann Kathrin früher vor ihrem Knusperhäuschen stehen hatte, mit krummem Rücken und einer Warze an der Nase. Sie hatte einen dunklen Bartwuchs, und es schlich immer eine Katze um sie herum.
Die Frau roch säuerlich nach ranziger Butter, aber sie war, das wusste Ann Kathrin aus vielen Erzählungen, eine Seele von Mensch, die sich um verletzte oder verwahrloste Tiere kümmerte.
Ann Kathrin konnte nur einen kurzen Blick in den Flur werfen. Das Haus sah von innen mehr aus wie ein Stall, und so roch es auch.
»Nein«, sagte die runzlige Dame, »ich habe Ihre Mutter schon lange nicht gesehen, Frau Klaasen. Sie übrigens auch nicht. Aber ein paar junge Männer waren hier und haben alle Möbel eingeladen. Sie haben keine Rücksicht auf die Mittagsruhe genommen und mich in meinem Schlaf gestört. Ich brauche meinen Mittagsschlaf. Mir geht es selbst nicht gut. Richten Sie ihnen das bitte aus, wenn Sie sie sehen.«
Dann schloss die Dame die Tür ohne ein weiteres Wort.
Ann Kathrin fuhr zur AWO und traf in der Schulstraße ihren Sohn Eike, der gemeinsam mit zwei Freunden die neue Wohnung von Omi einrichtete.
»Du hast ja doch keine Zeit dafür, Mama«, sagte er. »Deine Mörder halten dich doch viel zu sehr auf Trab.«
Ein leicht resignierender, aber auch ironischer Unterton war unverkennbar.
»Du hast das alles gemacht?«, fragte Ann Kathrin.
Er nickte und wendete sich dann wieder seiner Arbeit zu. Er schraubte den Wohnzimmerschrank zusammen, während sein Freund Uwe auf der beängstigend klapprigen Leiter balancierte und die Gardinen aufhängte.
Einerseits freute Ann Kathrin sich über ihren Sohn und seine Initiative. Am liebsten hätte sie ihn umarmt und sich bedankt, aber gleichzeitig kam sie sich plötzlich auch überflüssig vor und irgendwie als Versagerin.
Sie wollte schon verschwinden, dann ging sie noch einmal zurück und fragte, ob die Jugendlichen vielleicht Hunger hätten. Sie war bereit, ihnen ein Essen auszugeben.
Da sagten sie nicht nein und schickten Ann Kathrin mit ihrer Bestellung zu Gitti’s Grill an der Norddeicher Straße. Sie wollten Ann Kathrin den Weg erklären, aber sie winkte ab. Natürlich kannte sie Gitti’s Grill.
Nachdem sie im Restaurant Godewind gut gegessen hatte und zweifellos auch ein bisschen angetrunken war, bewegte sich Angela Riemann auf der Norddeicher Straße auf die Filiale der Sparkasse Aurich-Norden zu. Sie beschloss, so viel Geld zu ziehen wie nur irgend möglich.
Bevor ich in die Nordsee gehe oder mir die Pulsadern öffne, dachte sie, will ich erst jeden Cent verprassen, den ich noch habe.
Während Ann Kathrin in Gitti’s Grill ein Zigeunerschnitzel mit Pommes und Mayo, eine Riesencurrywurst mit Pommes und doppelt Mayo und einen Hamburger mit Pommes bestellte, um ihren Sohn und seine Freunde Uwe und Holger damit zu erfreuen, wankte Angela Riemann draußen vorbei.
Sie war mindestens ebenso voll wie ihr Portemonnaie. Sie vertrug eben keinen Alkohol, und der doppelte Jägermeister begann erst jetzt, ihr Nervensystem zu attackieren.
Ein paar Meter weiter stand sie zwischen Polizeiinspektion und der Alten Backstube. Draußen waren einigen Raucher und zechten fröhlich.
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