Ostfriesenmoor: Der siebte Fall für Ann Kathrin Klaasen (German Edition)
Videokameras von drei Geschäften. Einmal von …«
»Danke«, sagte Ubbo und drückte das Gespräch weg. Dann rief er erneut Ann Kathrin an.
»Ist nicht nötig, dass du kommst. Wir brauchen hier keine Verhörspezialistin. Frau Riemann sagt die Wahrheit, und sie hat ein Alibi für die Zeit der Kindesentführung. Sie hat mit Wolfgang Müller zusammen in Groningen eingekauft, genau wie sie von Anfang an behauptet haben.«
Ann Kathrin telefonierte beim Autofahren. Sie hatte Mühe, sich zu konzentrieren, und musste, als sie zur AWO abbog, scharf bremsen, um keinen Auffahrunfall zu verursachen. Dabei flogen ihr die bei Gitti eingekauften Speisen vom Fahrersitz, knallten gegen das Armaturenbrett und fielen in den Fußraum. Es roch nach Pommes, Zigeunersoße und Currywurst.
Ann Kathrin fluchte, aber bevor sie daranging, für ihren Sohn und seine Freunde die Pommes frites wieder einzusammeln und in den Schälchen zurechtzulegen, als sei nichts passiert, sagte sie zu Ubbo Heide: »Dann haben wir jetzt nur noch eine Verdächtige.«
Sie sprachen den Namen beide gleichzeitig aus: »Frau Professor Dr. Hildegard.«
Beate starrte die Frau an. Sie sortierte das Werkzeug für die Operation, und jedes Mal, wenn sie eine Schere, eine Zange oder ein Skalpell ablegte, gab es ein kleines, klirrendes Geräusch, das in Beates Phantasie den Tod ankündigte.
Die Frau machte alle Bewegungen langsam, ruhig, wie in Trance. Sie wirkte merkwürdig abwesend und summte ein Kinderlied.
»Lalelu, nur der Mann im Mond schaut zu,
Wenn die kleinen Babys schlafen,
Drum schlaf auch du.«
»Wenn Sie mich freilassen«, sagte Beate, »werde ich Sie nicht verraten. Sie können sich auf mich verlassen. Ich bin die Verschwiegenheit in Person. Ich werde mit niemandem darüber reden. Ganz bestimmt nicht.«
Beate wunderte sich, dass sie zu solch klaren Aussagen in der Lage war. Sie hatte Angst, verrückt zu werden, doch ihre Stimme war erstaunlich ruhig.
Erst als Beate den Filzstift auf ihrer Haut spürte, mit dem die Frau irgendetwas um ihren Bauchnabel herum einzeichnete, wurde Beate bewusst, dass sie nackt war. Dann hatte die Panik sie ganz. Sie konnte nicht mehr sprechen, sondern zitterte nur noch und hörte ihre eigenen Zähne gegeneinanderschlagen.
Jetzt begann die Frau zu sprechen.
»Ich verwandle Erwachsene nicht gern. Das ist immer so eine Riesensauerei. Am liebsten schmeiße ich Erwachsene einfach zum Kompost. Aber mit dir versuche ich es noch mal. Deine Haut ist ganz schön. Du erinnerst mich an meine Mutter.«
Sie kniff Beate in den Bauch, hob lappige Haut hoch und ließ sie wieder zurückfletschen.
»Du hast zu wenig Sport gemacht. Das kommt von diesen ständigen Diäten, dieses Auf und Ab. Zunehmen und wieder abnehmen, das macht die Haut schlaff. Hattest du Fettabsaugungen? Sowas brauchst du jetzt nicht mehr. Ich werde all dein Fett wegschaben und nur die besten Teile von dir verwenden.«
Lieber Gott, betete Beate leise für sich, lass mich wachwerden und dies alles nur einen Alptraum sein.
»Du bist zu mir gekommen, weil du dir die Verwandlung wünschst«, sagte die Frau. »Du willst ein Püppchen werden. Aber eigentlich sind die Kinder vor dir dran. Du bist noch nicht sauber genug.«
Schlimmer als das Sprechen der Frau war es für Beate, die Linien des Filzstifts zu spüren, mit dem ihr Körper in Felder eingeteilt wurde.
Dann lenkte das Plärren eines Kindes die Frau ab.
»Du kommst später dran«, sagte sie. »Du musst dich noch ein wenig gedulden. Erst die kleinen Engelchen. Sie können es kaum noch abwarten.«
Rupert stand vor dem Achtfamilienhaus in Leer und schüttelte nur den Kopf. Da oben war also das SM-Studio, das Nils Renken ständig besuchte.
Es sieht aus wie ein stinknormales, spießiges Mietshaus, dachte er. Was ist nur aus dieser Welt geworden? Man erwartet hinter den Türen auch stinknormale Familien, aber doch sicherlich keinen Edelpuff.
Er ging zu Fuß hoch bis nach oben und sah sich jeden einzelnen Klingelknopf genau an, konnte aber nichts Verdächtiges entdecken.
Neben einer Fußmatte mit der Aufschrift »Herzlich Willkommen« standen zwei leere Milchflaschen.
In der zweiten Etage hatte jemand einen Briefschlitz in der Tür und darüber einen Aufkleber, hier keine Werbung einzuwerfen.
In der dritten Etage bellte ein Hund hinter der Tür.
Dann war er endlich ganz oben. Er sah auf das Türschild. Silke Meiser.
Na klasse, dachte Rupert. Silke Meiser. SM. Das habt ihr ja clever gemacht. Der Laden
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