Ostfriesenmoor: Der siebte Fall für Ann Kathrin Klaasen (German Edition)
Eigentliche ihrer Aussage.
»Ja, ist noch etwas, Frau Professor?«
Sie druckste herum. »Ja, ich, ähm … Also, das hört sich jetzt völlig unprofessionell an, aber ich würde das nicht gerne in meinen Bericht schreiben.«
»Es gehört doch dort hinein. Es ist ein wichtiger Hinweis auf …«
»Sehen Sie, alles, was Sie von mir haben, ist streng wissenschaftlich abgesichert und nach überprüfbaren Kriterien …«
»Das habe ich nicht bezweifelt.«
»Aber was ich Ihnen gerade erzählt habe, ist nichts weiter als meine Meinung. Dazu bin ich nicht ausgebildet.«
»Gibt es denn da überhaupt eine Ausbildung?«
»Glaube ich kaum. So etwas Ähnliches wie ein Graphologe für chirurgische Stiche existiert nicht.«
Weller goss sich mit links ein bisschen Rotwein ins Glas und roch daran. Dann preschte er mutig vor: »Verschweigen Sie mir etwas, Frau Professor? Ist da mehr?«
Seine Frage musste für sie einen anzüglichen Klang gehabt haben, denn sie blaffte ihn an: »Nein, da muss ich Sie enttäuschen, da geht wohl nur die Phantasie mit Ihnen durch! Es ist keineswegs so, dass der erfahrene Chirurg die hübsche Anfängerin vernascht hat. Ich hatte nichts mit ihm. Ich will keinen ehemaligen Liebhaber schützen. Ich habe einfach nur Skrupel, der Polizei einen Namen zu nennen und eine so ehrenwerte Person wie Herrn Dr. Albers damit schlimmen Verdächtigungen auszusetzen.«
Weller nahm einen kleinen Schluck und sagte fast ein bisschen amüsiert: »Ja, wir haben es in dieser Sache dauernd mit ehrenwerten Leuten zu tun. Mir wird richtig schlecht bei so viel ehrenwerter Gesellschaft.«
Er hörte, dass Ann Kathrin vorne die Tür aufschloss, und beendete das Gespräch mit Professor Dr. Hildegard, während er ihr entgegenlief.
Sie sah erschüttert aus, aber erleichtert. Er wusste gleich, dass sie ihre Mutter gefunden hatte. Er hörte ihr zunächst zu, ließ sich alles erzählen, führte sie zur Terrasse, schenkte ihr ein Glas Rotwein ein und brachte ihr eine Decke.
Dann erzählte er ihr von Professor Hildegards Anruf. Ann Kathrin hörte ihm schweigend zu und nippte dabei an ihrem Rotwein.
»Und was denkst du darüber?«, fragte sie.
Es kam ihm sofort vor, als sei dies eine Prüfungssituation. Darauf wollte er sich nicht einlassen.
»Naja … wir können so einen Hinweis schlecht ignorieren. Ich denke, dass sie tatsächlich was mit ihm hatte, ihr das unheimlich peinlich ist, denn sie hat so sehr betont, kein Verhältnis mit ihm gehabt zu haben, dass die Vermutung nahe liegt … Und ich glaube, dass sie dieses Stichmuster wirklich erkannt hat.«
»Aber ist dir sonst nichts aufgefallen?«
Weller schüttelte den Kopf. Ann Kathrin war unzufrieden mit ihm, und das gefiel ihm nicht.
Sie fuhr fort: »Als wir in Ollenhauers Villa waren, hat der von einer stümperhaften Arbeit gesprochen. Ja, sich geradezu spöttisch darüber ausgelassen und abgestritten, dass einer seiner Schüler etwas damit zu tun haben könnte, so schlecht sei die Haut vernäht.«
»Stimmt«, sagte Weller und ballte die Faust.
Verdammt, dachte er, verdammt, warum bin ich nicht darauf gekommen? Ich wusste alles, was sie weiß, aber sie zieht andere Schlüsse daraus. Sie entdeckt die Widersprüche, ich spüre nur, dass welche da sind.
»Wenn dieser Albers so ein guter Chirurg war, dann wird er doch keine stümperhaften Stiche gesetzt haben. Zumal nicht gegen Ende seiner Laufbahn.«
»Da hast du aber sowas von recht«, sagte Weller. »Meinst du, wir haben es mit einer falschen Anschuldigung zu tun? Die riskiert doch nicht ihren Job, nur um sich an einem Ex-Lover zu rächen.«
»Für so eine Genugtuung würden einige noch viel mehr riskieren«, sagte Ann Kathrin sinnschwanger.
»Wir sollten uns diesen Typen vorknöpfen«, schlug sie vor.
Weller stimmte ihr zu. »Natürlich. Gleich morgen.«
Eine Weile saßen sie schweigend und Händchen haltend nebeneinander. Dann fragte sie ihn: »Kannst du noch fahren, Frank?«
Er hatte nur wenige Schlucke Rotwein genommen und fühlte sich topfit.
»Natürlich. Aber du willst dir doch diesen Albers nicht jetzt vornehmen?«
Sie lächelte, »nein«, und er wusste genau, was sie vorhatte.
»Du willst nach Uplengen!«
»Wenn jemand eine Kinderleiche im Moor versenkt, glaube ich kaum, dass er das tagsüber tut.«
»Ganz sicher nicht.«
»Dann lass uns hinfahren. Ich will mir das angucken. Bei Nacht.«
Weller fühlte sich geehrt. Normalerweise wollte Ann Kathrin ein paar Stunden ganz alleine am Tatort
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