Ostfriesenmoor: Der siebte Fall für Ann Kathrin Klaasen (German Edition)
frage.«
Sie holte tief Luft, wischte sich einmal durchs Gesicht und kämmte sich die Haare mit den Fingern nach hinten.
»Möchtest du trotz alledem mein Mann werden?«
Weller hatte oft davon gehört, dass Menschen in schlimmen, traumatisierenden Schocksituationen weiche Knie bekamen. Jetzt ging es ihm selber so. Er musste sich am Geländer der Aussichtsplattform festhalten, sonst wäre er hingefallen.
»Soll das … War das … ein Heiratsantrag?«
»Ich habe«, lachte sie, »deine scharfen Analysen schon immer bewundert. Aus dir wird noch mal ein richtig guter Kriminalkommissar …«
»Ann, ich … ich komme mir jetzt so blöd vor.«
»Warum kommst du dir blöd vor? Es muss dir nicht peinlich sein, Nein zu sagen. Wir können ja alles weiterhin so lassen, wie es ist.«
Weller zuckte zusammen. »Nein, Ann, auf keinen Fall, ich …«
Sie gestand: »Eigentlich kam der Anstoß von meinem Vater. Er sagte …«
»Ann, dein Vater ist tot.«
»Ja, seitdem hat er besonders blöde Ideen.«
Weller schüttelte sich. »Ann, ich will jetzt nicht über deinen Vater mit dir reden. Es geht jetzt um uns beide. Ich …«
Sein Mund wurde trocken, und ein kratziges Gefühl breitete sich im Hals aus, so als könnte er bereits in wenigen Sekunden seine Stimme verlieren und von einer schweren Grippe niedergestreckt werden.
»Ich bin so ein Idiot, Ann! Ich habe die ganze Zeit versucht, dir einen Heiratsantrag zu machen. Aber immer passte irgendwas nicht. Entweder stimmte die Situation nicht oder einer von uns war nicht richtig gut drauf oder … Ich hatte es schon bei Minna am Markt vorbereitet, einen Tisch reserviert und ein Essen ausgesucht … Dann passierte das mit deiner Mutter. Irgendwas war immer … wichtiger … Ich wollte doch gerne, dass alles perfekt ist, wenn ich dir einen Heiratsantrag mache und jetzt … jetzt habe ich es nicht geschafft, und du nimmst mir die Sache vorweg.«
»Heißt das Ja?«
»Natürlich heißt das Ja. Ja! Und wie! Natürlich will ich! Wenn es dir nichts ausmacht, einen Typen zu nehmen, der im Monat knapp neunhundert Euro zur Verfügung hat, der Rest geht nämlich an Unterhalt drauf für Exfrau und Kinder. Außerdem habe ich aus der letzten Ehe noch Schulden wie ein Stabsoffizier. Manchmal habe ich einen unglaublichen Autoritätskonflikt, dann könnte ich irgendwelche Doktoren, Professoren oder Akademiker an die Wand klatschen. Ich bin nicht schlagfertig wie meine Kollegen. Mir fällt meistens erst ein, was ich besser gesagt hätte, wenn ich schon zu Hause bin. Ich schaffe es nicht wirklich, mit dem Rauchen aufzuhören, obwohl ich es mir immer wieder vornehme. Und wenn hier einer von uns beiden im Bett ein Versager ist, dann ja wohl ich. Mit dir, Ann, ist es himmlisch! Und ich hab immer noch nicht kapiert, wie ich bei einer Frau richtig Eindruck schinde.«
»Hör auf zu reden«, sagte sie. »Küss mich jetzt einfach.«
Gar nicht weit von ihnen begann ein Kranichpärchen erneut, sein Nest zu bauen.
Es roch nach Schwarztee, und die Kluntjes knisterten in den Tassen. Trotzdem war die Situation angespannt wie vor einer drohenden Katastrophe.
Weller fühlte sich, als könnte die Nordsee in den nächsten Stunden über den Deich gehen.
Kleinlaut erklärte er, Ann Kathrin sei mit der Wohnungsauflösung ihrer Mutter beschäftigt, sie müsse einen Makler treffen, um einen Käufer für deren Haus zu suchen. Dann käme ein Termin beim Neurologen … Vor Mittag sei mit Ann Kathrin nicht zu rechnen.
Rupert registrierte grimmig, dass Ubbo Heide es völlig in Ordnung fand, dass Ann Kathrin sich ihren privaten Schwierigkeiten widmete.
Sylvia Hoppe hatte inzwischen herausgefunden, dass der Vater von Jule Freytag noch lebte.
»Von wegen, Waisenkind! Er hat seinen dritten Entzug scheinbar ganz erfolgreich hinter sich gebracht und macht jetzt eine Schreinerausbildung in Rhauderfehn.«
»Ausbildung«, spottete Rupert. »Soll das eine Lehre sein oder was? Der ist doch mindestens …«
»Er ist sechsundvierzig«, las Sylvia Hoppe aus den Akten ab. »Muss ein zähes Bürschchen sein. Er hat fast zwanzig Jahre Heroinabhängigkeit überlebt.«
Rupert nickte. »Stimmt. Die meisten gehen in den ersten fünf Jahren über die Klinge. Süchtige werden selten so alt.«
»Nur bei den Alkoholikern, da ist das anders«, warf Rieke Gersema ein und rückte ihre neue Brille zurecht.
Ubbo Heide hatte, um alles ein bisschen familiärer und gemütlicher zu gestalten, aufgeschnittenen Krintstuut auf den
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