Ostfriesenmoor: Der siebte Fall für Ann Kathrin Klaasen (German Edition)
nur wenige Minuten mit Lucys Handy, um dafür zu sorgen, dass jeder Anruf, der bei ihr einging, gleichzeitig in der Einsatzzentrale in Aurich mitgehört werden konnte.
»Wie werden die Gespräche mitschneiden und versuchen, den Aufenthaltsort des Anrufers zu ermitteln. Bitte halten Sie ihn so lange wie möglich am Telefon«, sagte er zu Lucy, die rot anlief und sich geehrt fühlte, weil dieser Mann sie siezte.
»Den Aufenthaltsort wollen Sie ermitteln? Was soll denn die Scheiße?«, stöhnte Schacht mit dem Gesicht auf dem Teppichboden. Er bog den Rücken durch und versuchte, seinen Kopf anzuheben, aber das ging schief.
»Wir wissen doch alle, wo er ist. Er hat seine Ferienwohnung nur ein paar hundert Meter Luftlinie von hier, im Fischerweg. Gehen Sie rüber und verhaften Sie ihn! Falls Sie keine Handschellen mehr haben, können Sie die nehmen, mit denen Sie mich hier gerade quälen. Ich werde eine Dienstaufsichtsbeschwerde einreichen, die sich gewaschen hat! Sie leben alle von meinen Steuergeldern! Ich mach Sie brotlos, wenn Sie nicht endlich Ihre Arbeit vernünftig tun!«
»Du sollst still sein, verdammt nochmal!«, zischte Weller.
Charlie Thiekötter sagte geradezu triumphierend in Wellers Richtung: »Reg dich nicht auf. Ich glaube, ich hab was Wunderschönes für euch auf Ollenhauers Festplatte gefunden. Der Junge hat echt Selbstbewusstsein. Das Ganze ist nicht mal großartig gesichert …«
Als Weller und Ann Kathrin zum Auto zurückgingen, schaute er sie an und sagte: »Wenn du dir diesen Ollenhauer vorknöpfst, Ann, dann wäre ich gerne dabei.«
»Warum? Willst du was lernen?«
Weller schluckte. »Offen gestanden würde ich gerne sehen, wie du ihn grillst.«
Ich hol dich da raus, Ina. Die spinnen doch alle. Die spielen verrückt, schreien rum, brüllen sich an. Nein, das ist keine Atmosphäre für ein Kind.
Ich hol dich bald, mein Mädchen. Ich bring dich zu deiner Schwester. Du hast eine richtige Familie verdient, nicht so etwas.
Die Hitze ist untypisch für Ostfriesland. Es weht kein Lüftchen. Mich bringt das fast um. Ich brauche den Wind, weißt du. Aber das macht der liebe Gott nur für uns, damit sie die Fenster nicht richtig verschließen. Hier im Muschelweg sind alle Fenster nur gekippt oder sperrangelweit offen. Wie eine Einladung an mich, dich endlich zu holen.
Wenn ich dieses unflätige Gebrülle höre, würde ich am liebsten hineinstürmen und dich sofort aus dieser Hölle befreien, Ina. Aber ich muss vorsichtig sein. Ich spiele hier die Touristin mit der Einkaufstasche, die sich auf dem Weg zu ihrer Ferienwohnung verlaufen hat und noch ein bisschen in der Gegend umguckt. Später werden sie sich höchstens an eine Frau erinnern, die eine Tüte hatte, auf der Werbung für Bünting-Tee war.
Es ist eine stabile Tragetasche. Ich hab sie im Combi gekauft. Der Aufdruck gefiel mir, und die Tasche ist groß genug, um dich zu transportieren. Sie werden dich nicht sehen darin. Ich hab Salatköpfe und Handtücher dabei. Damit decke ich dich zu.
Du darfst aber nicht schreien, auch wenn es dir schwer fällt, Ina. Ein paar Töne von dir könnten uns verraten.
Weller lenkte den Wagen, Ann Kathrin Klaasen telefonierte mit Ubbo Heide.
»Ich hätte das Kind am liebsten mitgenommen, Ubbo. Die Eltern sind völlig außer Kontrolle. Kann ich ja auch verstehen. Vielleicht kann man das Kind nicht direkt aus der Familie herausholen, in dieser Sache sind sie natürlich traumatisiert. Aber möglicherweise kann jemand vom Jugendamt dort als Unterstützung …«
»Ich kümmere mich darum«, sagte Ubbo Heide knapp.
»Ich glaube, wir können auch Lucy nicht mit der Situation alleine lassen. Sie ist minderjährig. Auf ihr lastet ein unglaublicher Druck. Der Täter will alles über sie abwickeln. Sie braucht psychologische Unterstützung.«
Nachdem Ann Kathrin das Gespräch mit Ubbo Heide beendet hatte, starrte sie eine Weile vor sich hin. Auch Weller schwieg.
An der Ampel standen sie hinter einem offenen, gelben Cabriolet. Vier junge Frauen saßen darin. Sie hatten die Radiomusik so laut gedreht, dass es aus den Lautsprechern dröhnte und Weller es bis in den Magen spürte. Nicht als schönes Kribbeln, sondern wie ein erneutes rhythmisches Schlagen gegen seine lädierte kurze Rippe.
Hinten im Wagen standen zwei junge Dinger auf und tanzten. Sie hoben die Arme hoch und kreischten zu einer Jungengruppe auf der anderen Straßenseite herüber, die sofort hocherfreut reagierte.
Die Ampel sprang auf Grün. Die
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