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Ostfriesensünde

Ostfriesensünde

Titel: Ostfriesensünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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Weißwein stillen konnte.
    Der Fisch stillte ihre Sehnsucht nach Weller und dem Haus im Distelkamp nicht, machte aber alles irgendwie erträglicher. Sie verspürte eine Sauwut auf ihren Vater und auf sich selbst.
     
    Dr.Gaiser hörte nichts mehr von Judith Harmsen. Sie war entweder ohnmächtig oder tot. Etwas an dieser Vorstellung versetzte ihn in Panik. Ihm würde das Gleiche geschehen. Sie war einfach nur schon länger hier als er.
    Es war jetzt völlig still. Er vermutete auf der anderen Seite den Irren, der ihn und Judith Harmsen eingemauert hatte, aber der Kerl antwortete nicht.
    Hatte der auch einen Sohn wie Lennart? Welchen Plan verfolgte dieser Verrückte?
    Dr.Gaiser sprach inzwischen laut vor sich hin Gebete in die Gottesferne. Ja, er fühlte sich von Gott verlassen und er hörte immer wieder Henns Worte: »Der Herr wird Sie richten! Niemand entgeht der Gerechtigkeit Gottes!«
    War es das? Hatte dieser fanatische Henn mit seiner Bande von Eiferern komplett den Verstand verloren? Spielten die jetzt hier Hölle mit ihm oder war er nur im Fegefeuer und hatte noch eine Chance?
    »Rede mit mir, du verfluchter Hurensohn! Rede! Die Polizei wird bald hier sein. Die kennen euch genau. Das Schweigen nutzt dir nichts! Du und deine ganze Bande von verblendeten Ignoranten, ihr werdet das bitter bereuen. Holt mich hier raus. Ich … ich kenne Sie nicht. Wer immer Sie da hinter der Wand sind – es wird für Sie sprechen, wenn Sie mich befreien. Sie können mein Retter werden. Sie werden super dastehen, wenn Ihre Komplizen ins Gefängnis gehen. Super! Ich habe Geld. Ich kann Ihnen einen Neuanfang finanzieren. Glauben Sie mir, das Leben
kann sehr schön sein. Manhattan zum Beispiel. Waren Sie mal in Manhattan? New York. Der Broadway. Es ist nachts taghell, all die Lichter und die Musik. I will wake up in a city that never sleeps … «
    Nichts. Keine Reaktion.
    Dr.Gaiser begann zu singen. »Ich war noch niemals in New York, ich war noch niemals in Paris … « Dann wusste er den Text nicht weiter.
    »Ich war schon da. Viermal, und Paris erst! Aber wenn Sie mich fragen, mir ist Paris ja lieber. Mont Martre. Champs-Élysées. Moulin Rouge. Kommen Sie, beenden wir den Scheiß hier. Holen Sie mich raus, und wir fahren los. Wir könnten schon heute Abend in Paris sein. Wir bekommen bestimmt noch Plätze im Moulin Rouge. Wir schauen den Mädels zu, saufen Champagner und … «
    Er verstummte und presste wieder ein Ohr gegen die Mauer. Schlug da eine Tür? Klapperte da etwas?
    Es gab ja nicht nur den Menschen, der ihn entführt und eingemauert hatte auf der Welt. Wo befand sich dieses Haus? Wohnten da andere Leute? Gab es Nachbarn? Ging da gerade jemand durch den Flur?
    Er schrie: »Hilfe! Hilfe! Ich werde hier gegen meinen Willen festgehalten! Hilfe! Hilfe! Sie können mich nicht sehen! Ich bin hinter der Wand eingemauert!«
     
    Die »Gotteskinder« hatten ihr Büro in einer umgebauten Doppelgarage mit Außenklo. Im dazugehörigen Zweifamilienhaus wohnten Herr und Frau Weeke und betreuten eine christliche Wohngruppe, in der zurzeit drei junge Mütter und vier Kinder ein Zuhause fanden. Im Garten gab es einen Spielbereich, deutlich abgegrenzt davon der Gemüsegarten und das Gewächshaus.
    Frau Weeke erklärte alles ausführlich: »Hier lernen die jungen
Frauen, sich selbst zu versorgen. Wir achten auf gesunde Ernährung für Mutter und Kind. Was glauben Sie, wie die Mädchen hierherkommen? Kochen hat kaum eine gelernt.«
    Frau Weeke lachte ein bisschen zu laut und zu hell, fand Weller.
    »Ja, die denken, sie könnten kochen, aber das ist doch nur ein Warmmachen. Die Mädchen kennen die Basissachen nicht. Wie lange kocht eine Kartoffel, bis sie gar ist? Wir haben natürlich keine Mikrowelle, dafür legen wir Wert auf gemeinsames Essen. Die Mädchen müssen hier erst Familie und Gemeinschaft lernen. Morgen zieht ein Mädchen hier ein. Sie ist fünfzehn und im fünften Monat. Sie hat sich für ihr Kind und gegen ihren Vater und ihren Freund entschieden. Der Konflikt hätte sie fast umgebracht. Versucht hat sie es, mit irgendeinem Partydrogenmist. Fragen Sie mich nicht, wie das Dreckszeug heißt.«
    »Das ist ja alles sehr nett, Frau Weeke, aber wir sind nicht gekommen, um Ihre ehrenamtliche Arbeit zu begutachten, sondern … «
    »Wegen Herrn Gaiser. Das ist mir klar. Aber Sie sollen sehen, worum es in Wirklichkeit geht. Das hier soll zerstört werden. Dieser Ort der Hoffnung und des Gottvertrauens. Was machen Ihre Kollegen

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