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Ostfriesensünde

Ostfriesensünde

Titel: Ostfriesensünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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beobachtete die Villa jetzt schon seit gut einer Stunde. Er saß hinten im Lieferwagen. Auf seinem Laptop klickte er immer wieder die Gelsenkirchener Geschichten an. Es war völlig verrückt, was Ann Kathrin Klaasen da in Gang gesetzt hatte. Die Freunde, Fans und User der Gruppe erreichten in wenigen Stunden mehr als die Kripo in Jahren. Sie trugen mit wachsender Geschwindigkeit neue Daten und Fakten zusammen. Inzwischen war er sogar auf einem Schulfoto zu erkennen, das ein Klassenkamerad ins Netz gestellt hatte.
    Kein Wunder, dachte er. Die werden nicht durch Hierarchien getrennt, haben keine Dienstvorschriften, keinen Dienstplan, keinen vorgeschriebenen Dienstweg und keine lustlosen Mitarbeiter, die innerlich längst gekündigt haben. Die machen, was sie tun, aus Begeisterung.
    Es kam ihm komisch vor, aber so war es wohl. Begeisterung wofür, fragte er sich. Ihre Stadt? Ihre Erinnerung? Jedenfalls war plötzlich nicht mehr nur eine durchgeknallte Kommissarin hinter ihm her, sondern mit ihr gut und gerne zweitausend Leute. Da kamen Sachen zutage …
    Er hatte einmal auf der Cranger Kirmes für ein hübsches Mädchen die halbe Schießbude abgeräumt. Ein schwerer Fehler. Jetzt erinnerte sie sich an ihn und Stein, der damals nur angesäuert daneben gestanden hatte, weil der alte Miesepeter nichts mit Mädchen anfangen konnte, die in Kleidergröße 34 reinpassten, deren Busen gerade erst zu sprießen begann und die Probleme mit dem Hauptschulabschluss hatten. Inzwischen
musste sie den wohl nachgemacht haben. Sie schrieb jedenfalls in grammatikalisch richtigem Deutsch und ihren Computer beherrschte sie offensichtlich auch.
    Sie versprach, ein Foto zu suchen, auf dem er mit ihr zu sehen sei und im Hintergrund Stein. Er habe es damals für sie geschossen. Ja, verdammt, wie blöd war er damals eigentlich gewesen? Mit einem Treffer auf das Herz in der Mitte einer Spielkarte löste der Schütze eine Polaroidkamera aus und bekam das Bild als Gewinn. Damals der letzte Schrei.
    Ich werde dich auch eliminieren müssen, dachte er, und zwar rasch, bevor du das Scheißfoto gefunden hast und einscannst.
    Er war Spezialist darin, Leute auszuknipsen. In einem Krieg hinter den feindlichen Linien glaubte er, ein ganzes Bataillon aufhalten zu können. Aber heutzutage waren Leute wie er nicht mehr gefragt. Heute brauchte man Computerspezialisten, die mit ihrer Software in der Lage waren, eine Armee, ja, ein ganzes Land zu paralysieren. Wie sehr hätte er jetzt so einen EDV -Spezialisten gebraucht, um die Scheißseiten dieses verdammten Forums abstürzen zu lassen. Er konnte sie schlecht alle töten. Er kannte nicht einmal ihre richtigen Namen und Adressen. Kaum vorstellbar, dass »Schalke wird Meister«, »Troy«, »Minchen«, »Che«, »Lo« oder »Kim 12 « unter diesen Namen beim Einwohnermeldeamt gemeldet waren oder im Telefonbuch standen. Jemand, der mehr von Computern verstand als von Ballistik und Schusswaffen, hätte die Adressen bestimmt rasch herausgefunden, aber das alles war nicht seine Welt. Er konnte E-Mails schreiben und nutzte die Suchmaschine Google, aber eine Homepage würde er sich garantiert nicht anlegen.
    Ann Kathrin Klaasen war bei Stenger. Er hatte schon viel zu lange gezögert. Sollte er jetzt reingehen und sie beide ins Jenseits schicken? Die Kette musste unterbrochen werden. Aber eine tote Ann Kathrin Klaasen würde einen Riesenwirbel nach
sich ziehen. Erschossene Kripoleute machten immer Ärger und lösten bei einigen Kollegen geradezu leidenschaftliche Ermittlungen und Verfolgungsdruck aus.
    Ann Kathrin Klaasen verließ das Gebäude aufgeregt.
    Die Frauen standen zu dritt im hinteren Teil des Gartens unter dem alten Kirschbaum. Sie tuschelten miteinander. Wenn die etwas bei Stenger lernten, dann wegzugucken. Sie wurden immer wieder Zeuginnen von Dingen, die kein Mensch wissen durfte. Sie folgten den Anweisungen, sprachen nur, wenn sie gefragt wurden, und sahen Männern nicht in die Augen, sondern devot nach unten.
    Trotzdem versuchte er, von ihnen unerkannt ins Haus zu huschen. Er hatte gelernt, unauffällig jeden natürlichen Schutz nutzend, in Gebäude hinein- und herauszukommen. Die Villa war ein Witz. Er kannte das Gelände gut. Die einzige Schwierigkeit lag darin, in den Garten zu kommen. Ab dann war er praktisch unsichtbar.
    Er zog Gummihandschuhe an und überprüfte den Schraubverschluss vom Benzinkanister. Dann schraubte er den Spezialschalldämpfer auf die Walther und huschte durchs Tor und an der

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