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Ostfriesensünde

Ostfriesensünde

Titel: Ostfriesensünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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könnte mit mir die Grundlagenarbeit machen. Ich habe alle Tatorte des Maurers so aufgenommen. Sie kann eine Tatortbegehung machen, ohne hinzufahren, verstehst du? Ich möchte, dass sie sich das Ganze anguckt.«
    Weller stellte sich vor, wie Ann Kathrin an die Sache herangehen würde. Er erschrak bei dem Gedanken, dass sie vermutlich nur schwer davon abzuhalten war, sich selbst einmauern zu lassen, um zu begreifen, was geschehen war.
    »Hilfst du mir, Frank?«
    »Wobei?«
    »Sie zu überzeugen.«
    Weller sah auf sein Weinglas.
    Christa Ihben, mit neuer Frisur und der Ausstrahlung eines freundlichen Menschen, räumte die Teller ab und fragte: »Hat es Ihnen geschmeckt?«
    »Geschmeckt ist gar kein Ausdruck«, antwortete Huberkran. »Haben Sie das zubereitet?«
    »Nein, der Herr Funke.«
    »Schade«, scherzte Huberkran, »ich wollte Ihnen gerade einen Heiratsantrag machen.«
    Wer ist hier eigentlich auf der Suche, dachte Weller. Deine Frau oder du?
    Er sagte das aber nicht, sondern bereitete sich innerlich auf den Abend mit Ann Kathrin vor. Er hatte das Gefühl, dass es spät werden würde. Es gab einiges zu besprechen.
    Er bestellte sich eine Schokoladenmousse mit gebratener Banane an Orangenjus. Der Nachtisch stand nicht auf der Speisekarte, aber Weller hatte das Dessert einmal hier gegessen, als es ihm während der Trennung von Renate schlechtging und Christa Ihben versprach: »Mal sehen, was sich tun lässt … Es gibt Speisen, die sind gut für die Seele.«
    »Für mich dann bitte auch«, bat Huberkran.
     
    Noch als sie klingelte, hatte Ann Kathrin Klaasen vor, ihre Mutter sofort mit den Fotos zu konfrontieren, doch jetzt wusste sie nicht mehr, ob diese Idee so gut war. Ihre Mutter kam ihr merkwürdig zerbrechlich vor, als sei sie gerade erst von einer schweren Krankheit genesen. Ihre Hand zitterte, als sie den Zuckertopf zu sich zog, und sie hatte Mühe, das Kluntjestück auf dem Löffel zu ihrer Tasse zu balancieren.
    Ann Kathrins Mutter erzählte von einer Nachbarin, mit der sie Streit hatte, einem Hund, der ständig in ihren Vorgarten
kackte, und von den gestiegenen Medikamentenpreisen. Sie stöhnte, dass sie immer mehr selbst zahlen müsste und es sich doch gar nicht mehr lohne, zum Arzt zu gehen. Aber ohne Rezept bekäme sie die Medikamente auch nicht.
    Ann Kathrin erwischte sich bei dem Gedanken, dies alles für belanglosen Smalltalk zu halten und wollte zum Eigentlichen übergehen, aber dann kam ihr die eigene Haltung arrogant vor. Sie beschloss, noch eine Weile mit ihrer Mutter über die Dinge zu reden, die sie eben beschäftigten. Es war eine Kopfentscheidung, aber das machte es nicht leichter für Ann Kathrin.
    Die Fotos schienen in ihrer schwarzen Handtasche geradezu zu brennen. Immer wieder musste Ann Kathrin zu der Tasche hinschauen. Je mehr ihre Mutter Geschichten aus ihrer Welt erzählte, umso schwieriger fiel es Ann Kathrin, überhaupt einen Anknüpfungspunkt zu finden. Wie sollte sie beginnen?
    Dann hörte sie sich selbst unvermittelt sagen: »Ich habe ein Foto von Papa gesehen. In Venedig. Ich wusste gar nicht, dass ihr mal dort wart.«
    Helga Heidrich bot ihrer Tochter ein Teilchen mit Pflaumenmus an. Bevor sie antwortete, biss sie selbst ein Stück ab und wischte sich das Pflaumenmus von der Unterlippe.
    »Wir waren nie in Venedig, mein Kind. Wir wollten immer mal hin, aber … du weißt ja, wie das ist.«
    »Vielleicht war Papa mal ohne dich dort?«
    »In der Stadt der Verliebten? Da kennst du deinen Vater aber schlecht. Ohne mich ist der zum Boxen gefahren oder zum Angeln, aber ganz sicher nicht nach Venedig.«
    Ann Kathrin griff zu ihrer Tasche. Als sie das Bild auf den Tisch legte, schaffte sie es nicht, ihrer Mutter dabei ins Gesicht zu sehen. Sie kam sich dabei vor, als würde sie etwas Unrechtes tun, ja, als würde sie ihre Mutter schlagen.
    Aber die reagierte ganz anders als erwartet. Sie lachte.
    »Das ist nicht echt, Ann. Nur ein Spaß. Bestimmt haben sie sich vor einer Fototapete knipsen lassen.«
    Sofort war Ann Kathrin verunsichert. Sie riss das Bild wieder an sich und sah es sich genauer an. Fehlten da die Tiefen? Konnte es sein, dass es sich um eine Fototapete handelte?
    Ann Kathrins Mutter lehnte sich zurück. »Außerdem hat dein Vater nie so bunte Sachen getragen. Er wäre sich darin lächerlich vorgekommen. Wie ein eitler Geck.«
    »Kennst du die Frau an seiner Seite, Mama?«
    »Ja, ich meine, die habe ich mal gesehen. Ich glaube, sie heißt Klingel oder Glocke oder so

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