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Ostfriesensünde

Ostfriesensünde

Titel: Ostfriesensünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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Franken verschlagen hatte, immer bemühte, in klarem Hochdeutsch grammatikalisch richtige Sätze zu sprechen, verfiel wohl in seinen Heimatdialekt, als er wie ein Esel antwortete:
    »I-a.«
    Weller schob den leeren Teller von sich und lehnte sich zurück. Er unterdrückte ein Rülpsen. »Warum willst du ausgerechnet sie?«, fragte er. »Warum jetzt? Es ist ein ungünstiger Zeitpunkt.«
    »Ungünstiger Zeitpunkt. Du bist gut. Vielleicht wird gerade ein neues Opfer eingemauert und hofft auf unsere Hilfe. Wir haben nichts, Frank. Wir stehen mit leeren Händen da.«
    »Himmel, sie ist doch keine Hellseherin! Wenn eure SOKO bisher nicht weitergekommen ist, dann … «
    »Sie hat drei Serienmörder zur Strecke gebracht. Sie hat mehr Erfahrung als unsere ganze SOKO zusammen. Sie weiß, was in so einem kranken Hirn vorgeht, kann sich hineinversetzen und … «
    Weller wiegelte ab. »Ja, natürlich ist sie gut, aber … «
    »Machen wir uns doch nichts vor, Frank. Ich habe es mit zwei Sorten von Kollegen zu tun. Die einen haben einen Weitwinkelblick. Sie sehen das große Ganze. Und die anderen, die fokussieren und sehen immer nur winzige Einzelteile, die aber in völliger Klarheit.«
    Weller gab Huberkran recht und versuchte gleichzeitig, sich
selbst einzuordnen. Wie war es bei ihm? Neigte er dazu, Details zu sehen und sich darin zu verlieren oder hatte er den Blick fürs große Ganze, verlor dabei aber wichtige Einzelheiten?
    Er erschrak fast darüber, dass er sich nicht selbst einschätzen konnte. Wenn es diese zwei Sorten von Kollegen gab, und daran bestand kein Zweifel, zu welcher Sorte gehörte er dann?
    »Ann Kathrin kann beides. Sie hat den Weitwinkelblick und fokussiert dann die wichtigen Details. Sie sieht Dinge, die vor uns allen liegen, die wir aber trotzdem nicht mitkriegen.«
    Weller spürte einen Stich Eifersucht. Huberkran sprach von Ann Kathrin, als sei er geradezu verliebt in sie.
    »Woher weißt du das alles so genau?«, fragte Weller. »Du warst doch nicht dabei. Rupert und ich haben sie begleitet.«
    »Ich habe alle drei Fälle studiert. Ich habe darüber sogar einen Vortrag gehalten.«
    »Weiß sie das?«
    Huberkran schüttelte den Kopf und wischte sich die Lippen ab. Er genierte sich ein bisschen.
    »Eine Weile habe ich Kripoleute geschult und Tatortgruppen zusammengestellt. Jetzt bin ich ins operative Geschäft zurückgeholt worden. Ich will die Besten. Machen wir uns nichts vor, Frank. Wir werden hier Kriminalgeschichte schreiben.«
    »Damit wirst du Ann Kathrin nicht ködern können.«
    »Ich weiß. Aber wir setzen ganz neue Methoden ein. Und das wird sie reizen. Wir arbeiten mit Spheron. Die Tatortarbeit von früher ist Schnee von gestern. All diese Akten schreiben und dieses Herumfotografieren, das wird jetzt ersetzt.«
    »Wodurch?«
    »Durch die neue Kamera. Sie nimmt den Tatort in 360 Grad auf. Das dauert knapp zehn Minuten, und wir haben ein exaktes, jederzeit reproduzierbares Bild. Man sieht genau, wie weit was von wo entfernt ist. In welchen Verhältnissen die Dinge sich zueinander befinden. Ich muss dann nicht mehr in einer
Akte blättern und den Laborbericht suchen, sondern ich klicke die Waffe auf dem Boden an, und der genaue Laborbericht erscheint auf dem Bildschirm.«
    Huberkran griff zu seiner Tasche. Er wollte den Laptop herausziehen und Weller das Ganze vorführen.
    Der wehrte ab: »Es ist doch noch gar nicht sicher, ob die Gerichte das überhaupt akzeptieren.«
    Huberkran bestellte sich ein neues alkoholfreies Weizenbier.
    »Ich hab schon Sachen erlebt, ich kann dir sagen. Als wir zum ersten Mal damit in einen Mordprozess gingen, hat der Richter das alles abgelehnt. So ein Typ kurz vor seiner Pensionierung. Wahrscheinlich hat er zu Hause Probleme, eine DVD richtig einzulegen, und statt E-Mails schreibt der noch Briefe. Ich musste aus dem Ganzen wieder eine Akte machen, durfte fünfzig Seiten tippen und musste ihm dann mit Fotos alles vorführen, statt den Tatort auf der Leinwand einfach ins Gerichtsgebäude zu holen. Ein Albtraum, sag ich dir. Und dann geht natürlich diese Fragerei los.
Ja, wo befand sich denn die Leiche? Wo war die Tür? Das kann ich ja hier auf dem Foto so nicht sehen.
    Ich sagte: Sehr geehrter Herr Vorsitzender, wenn Sie unsere neue Methode zulassen, dann ist das alles kein Problem mehr, aber Sie wollen es ja nicht.
    Trotzdem, es wird sich durchsetzen, Frank. Niedersachsen hat sechs solcher Geräte geordert. Bei euch ist noch keins angekommen, was? Ann Kathrin

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